Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
vorgeschrieben?«
»Bestimmt
nicht. Ich habe ihr nur geholfen, keine falschen Entscheidungen zu treffen.«
»Ward Ihr
erfolgreich?«
»Meistens.«
Er dachte an Sophie und ihre Unbekümmertheit, mit der sie so manche Dummheit begangen
hatte. Das Gefühl, sie davor schützen zu müssen, hallte heute noch in ihm nach,
obwohl mittlerweile ein ganz anderer auf sie achtgab. »Nur einmal nicht, als sie
unbedingt diesen Schwachkopf heiraten musste.«
»Ist sie
unglücklich?«
»Noch nicht
einmal das.«
Jolanthe
lachte. Es war ein spontanes Lachen. »Vielleicht war der Schwachkopf dann doch der
Richtige, und Ihr hattet Unrecht.«
Dieselbe
Antwort hatte Sophie ihm damals gegeben. Unvermittelt wurde Jolanthe ernst.
»Ist Euer
Vater stolz auf Euch?«
Er empfand
diese Frage als merkwürdig, denn er hatte sich darüber noch nie Gedanken gemacht.
Die Anerkennung seines Vaters war für ihn etwas Selbstverständliches.
»Natürlich.
Warum sollte er nicht, ich bin ein guter Kaufmann und vertrete ihn würdig. Er ist
zufrieden mit mir.«
»Habt Ihr
alles von ihm gelernt?«
»Ich war
ein Jahr in Venedig, habe in Augsburg bei einem befreundeten Kaufmann gearbeitet.
Es ist immer gut, so viele Eindrücke wie möglich zu sammeln.«
»Das klingt
so leicht.« Sie umfasste mit den Armen ihren Oberkörper, so als würde sie frieren.
»Euch wäre
das auch möglich. Ihr müsstet mir nur vertrauen.«
»Fangt nicht
schon wieder damit an! Ich kenne Euch doch kaum und habe meine Pflichten.«
Sie drehte
sich um und strebte zurück auf das Stadttor zu. Während er ihr folgte, verflog das
Gefühl der Gemeinsamkeit, stattdessen blieb die Erkenntnis, dass sie viel über ihn,
umgekehrt er kaum Neues über sie erfahren hatte. Wie hat sie das angestellt?, dachte
er und vergrößerte seine Schritte, um mit ihr mitzuhalten.
Sie hatten
kaum das Tor passiert, da hörten sie das Keuchen eines Mannes, das Scharren von
Füßen auf dem Boden, was Pascal sofort in Alarmbereitschaft versetzte. Es waren
Kampfgeräusche. Kaum ein paar Schritte entfernt rangen zwei Männer miteinander,
die aussahen, als kämen sie von den Lastkähnen auf dem Fluss. Der eine schlug zu
und verschaffte sich somit etwas Luft. Er zückte ein Messer und stieß es seinem
Gegner entgegen, der wich aus, sodass die Klinge in seine Schulter glitt. Er schrie,
sein Gegner holte erneut aus. Jolanthe stand wie erstarrt da, die Hände zu Fäusten
geballt. Hastig griff Pascal ihren Arm und zog sie mit sich in eine Seitengasse.
»Lauf«,
flüsterte er ihr zu und spürte ihren Widerstand. Nach ein paar Schritten lief sie
schneller. Sie wollte sich frei machen, doch er hielt sie unerbittlich, bis sie
weit genug gerannt waren und am Rande des Fischmarktes herauskamen. Hier kann nichts
mehr geschehen, dachte Pascal und gab sie frei. Ihr Atem ging schwer. Sie lehnte
sich an eine Hauswand und starrte ihn wütend an.
»Was sollte
das? Glaubtet Ihr, ich würde mich einmischen?«
»In der
Tat«, der Gedanke war ihm gekommen.
»Man hätte
wenigstens die Büttel verständigen können, bevor noch mehr geschieht.«
»Und Ihr
hättet so lange mit den beiden ein Plauderstündchen gehalten?«
»Ich bin
nicht naiv«, konterte sie. »Aber Ihr seid feige.«
Er spürte
den Ärger, der sich nicht mehr bändigen ließ. Es war genauso, wenn er mit seiner
Schwester stritt, sie konnte einen zur Weißglut treiben.
»Ich bin
nicht feige, sondern vernünftig und schütze das, was mir wertvoll ist«, antwortete
er. Dann lief er mit raschen Schritten auf den Fischmarkt und tauchte in der Menschenmenge
unter. Er hielt seinen überlegenen Abgang nicht sehr lange durch, blieb stehen und
sah sich nach ihr um. Sein Blick glitt über die Menschen, bis er Jolanthe auf dem
Weg zum Kaufhaus fand.
»Stures
Weibsbild«, sagte er so laut, dass sich Umstehende nach ihm umschauten. Aber es
stimmte doch! Ihm Feigheit vorzuwerfen, das war etwas, was er nicht vertragen konnte.
»Lern du erst mal das wirkliche Leben außerhalb dieser Stadtmauern kennen.«
Kapitel 11
Jolanthe war über sich selbst verärgert.
Wie hatte sie Pascal einen Feigling schimpfen können – und das in solch einer Situation?
Sie hatte sich erschrocken über den Kampf, war entsetzt gewesen über das, was vor
ihren Augen geschah. Allerdings, dass da nur ein tumber Trottel eingegriffen und
seinen Kopf riskiert hätte, war nun wirklich nicht schwer zu verstehen.
»Dummes
Huhn«, schimpfte sie und schritt schneller. Unvermittelt blieb sie auf dem
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