Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
war der Schlüssel
zu Winald und dessen Kontor. Dass sie sein Angebot, mit ihm nach Köln zu gehen,
ausgeschlagen hatte – nun ja, vermutlich war das zu erwarten gewesen, auch wenn
es ihn zunächst enttäuschte. Er hätte mit ihrer Sturheit rechnen müssen, die er
als Stärke sah, die sie brauchen würde, wollte sie als Frau erfolgreich Geschäfte
machen. Er jedenfalls würde sie nicht so schnell aufgeben. Er hatte ihre Reaktion
auf sein Angebot gespürt. Sie hatte gezögert. Und das reichte ihm vollauf, um weiterzumachen.
Er sah,
wie sie sich von den Männern verabschiedete und in Richtung Münster strebte. Er
folgte ihr und hielt sie auf.
»Lauft Ihr
vor mir fort oder drängen Euch die Geschäfte?«
Sie blieb
stehen. »Ich habe Euch nicht gesehen.«
»Darf ich
Euch ein Stück begleiten?«
Sie nickte
und wandte sich in die Richtung, in der sie gegangen war. Er folgte ihr, betrachtete
sie von der Seite und überlegte, wie er möglichst unauffällig herausfinden konnte,
was sie mit den Kaufleuten zu besprechen hatte.
»Ihr trefft
Euch mit anderen Männern?«
Sie lachte.
»Euch muss ich keine Rechenschaft ablegen, oder?«
»Das nicht,
aber es interessiert mich. Plant Ihr ein neues Geschäft?«
Sie blieb
am Münster stehen und schien unschlüssig, antwortete aber nicht.
»Lasst uns
noch ein wenig an die Donau gehen, was haltet Ihr davon?«, schlug er vor.
»Ich frage
mich, wann Ihr Eure Angelegenheiten erledigt. Immer wenn ich Euch treffe, nehmt
Ihr Euch die Zeit, mit mir zu plaudern. Habt Ihr nichts zu tun den lieben langen
Tag?« Ein Lächeln stahl sich in ihre Mundwinkel.
»Ein guter
Kaufmann weiß um den Wert eines guten Gesprächs«, antwortete er nur und nickte einladend
in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Zu seiner Freude folgte sie ihm.
Eine Weile
sprachen sie nichts. Pascal hätte ihr von seinem Tag erzählen können, von Mathies
und den gemeinsamen Plänen, die sie hatten. Er tat es nicht, denn er wollte etwas
von ihr hören. Endlich begann sie ein Gespräch mit der Frage:
»Kennt Ihr
Vico Kunzelmann näher?« Sie machte eine Pause. »Ich meine, wie ist er so als Mensch
und als Kaufmann? Wisst Ihr das? Ihr kommt doch weit herum. Ihr habt Menschenkenntnis.«
Nun ist
mir klar, was sie von den Männern gewollt hat, dachte Pascal. Er überlegte. Viel
hatte er von Vico nicht gehört. Das Wenige aber reichte ihm.
»Habt Ihr
bei den anderen Kaufleuten nicht genug über ihn erfahren?«
»Man kann
nie genug erfahren«, antwortete sie. »Kennt Ihr das nicht? Das Gefühl, dass es besser
ist, wenn man weiß, mit wem man es zu tun hat?«
»Für einen
guten Kaufmann ist das unerlässlich.«
»Seht Ihr.«
Sie überquerten
den Fischmarkt und bogen in die Gasse ein, die zu einem der kleineren Stadttore
führte. Um an die Donau zu kommen, mussten sie die Stadtmauern hinter sich lassen.
Erst als sie am Fluss angelangt waren und einen ausgetretenen Pfad am Ufer entlangschlenderten,
begann Jolanthe wieder zu reden.
»Nun? Was
wisst Ihr von Vico?«
»Er ist
eingebildet, glaubt mehr zu können, als er tatsächlich vermag, und pflegt den Umgang
mit einflussreichen Leuten.«
»Er weiß
sich in der betuchten Gesellschaft zu bewegen«, ergänzte sie mit einem Augenzwinkern.
»Er weiß sich zu kleiden und das alles, obwohl das Kontor, das er übernommen hat,
klein ist, kleiner noch als unseres. Man munkelt, es stünde nicht gut da.«
»Er verlegt
sich mehr auf das Reden als auf das Verkaufen.« Das Spielchen gefiel Pascal, deshalb
gab er den Ball an sie zurück, und sie nahm ihn auf.
»Er handelt
mit Barchent und macht keine Anstalten, sich auf etwas Neues einzulassen.«
»Viel zu
gefährlich.«
»Viel zu
groß die Wahrscheinlichkeit, Geld zu verdienen«, meinte sie voller Ironie. Ihre
Worte blieben in der Luft hängen. Pascal wartete darauf, dass sie das Gespräch wieder
aufgriff.
»Was hat
Euch eigentlich nach Ulm verschlagen?«
»Geschäfte.«
Was sonst, hätte er fast ergänzt.
»Ihr erzähltet,
dass Ihr in Köln eine neue Zweigstelle eröffnen wolltet. Warum also seid Ihr in
Ulm?«
»Klug beobachtet.«
Viel zu klug. Er musste sie ablenken, bevor sie noch weiter nachbohrte und er womöglich
mehr preisgab, als er wollte. »Wisst Ihr, in manchem erinnert Ihr mich an meine
kleine Schwester. Stolz, stur, sie will immer ihren Weg gehen, ob der gut für sie
ist oder falsch, sie lässt sich nichts sagen.«
Jolanthe
sah ihn interessiert an. »Vielleicht habt Ihr Eurer Schwester zu viel
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