Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Rosemann
Vom Netzwerk:
tat.
    Sie stand
in der Stube ihres Hauses auf einem Höckerchen und erduldete nun schon seit endloser
Zeit, wie es ihr schien, dass der Schneider und sein Gehilfe an ihr herumzupften,
hier und da Behelfsnähte schlossen, um das Hochzeitskleid ihrer Figur anzupassen.
Weil der Stoff teuer war, gingen die beiden besonders vorsichtig damit um. Sie wollten
weder etwas vergeuden, noch in die Lage geraten, wegen einer Unachtsamkeit aus eigener
Tasche nachkaufen zu müssen.
    »Wie lange
braucht Ihr noch, Meister? Meine Beine sind steif und mein Rücken schmerzt«, sagte
sie zum ungezählten Mal.
    Der drahtige
kleine Mann lächelte beschwichtigend, so wie die Male zuvor. Sein spitzer Bart verzog
sich dabei, und seine dichten Augenbrauen hoben sich in die Höhe. Er antwortete:
»Es wird. Habt noch ein wenig Geduld.«
    Sieglinde
verdrehte die Augen über so viel Gutmütigkeit und herrschte Katrein an: »Geh, hol
mir einen Schluck Wasser.«
    Die Magd,
die sich im Hintergrund gehalten hatte, knickste und beeilte sich, dem Befehl Folge
zu leisten. Sieglinde verspürte keinen Durst, nur den Drang, sich Luft zu machen.
Letztlich hatte Katrein hier nicht herumzulungern, sie war dazu da zu arbeiten.
    »Autsch!«
    Der Gehilfe
schaute schuldbewusst zu ihr hoch, dabei hatte er sie gar nicht mit seiner Nadel
gestochen. Sieglinde gefiel sein erschrockener Blick.
    »Verzeiht«,
sagte er hastig.
    »Passt besser
auf«, antwortete sie.
    Der Schneider
war ihr von ihrer Freundin empfohlen worden, nachdem sie von der Hochzeit erfahren
hatte. Freudig hatte Berta auf die Neuigkeit reagiert, die Sieglinde ihr offenbarte.
    »Endlich.
Ich dachte schon, du würdest deinen Vater nie mehr überreden können, dich einem
Mann zu geben. Ich fürchtete, du würdest als alte Jungfer enden, stell dir mal vor,
ich habe mir Sorgen gemacht. Jetzt freue ich mich für dich.« Das waren ihre Worte
gewesen. Sieglinde hatte gelächelt und in diesem Moment tatsächlich das Gute an
der Sache sehen können. Sie würde einen Kaufmann heiraten, nicht mehr nur die Tochter
von Winald Kun sein, sondern diesem Haushalt mit allen Rechten vorstehen. Ihr Ansehen
in der Stadt würde steigen, frisches Blut würde dem Geschäft Auftrieb geben, und
wer wusste es schon, ob das Zusammenlegen der beiden kleineren Kontore nicht dazu
führen würde, dass es mit dem größeren weiter aufwärts ging. Neben den reichen Kaufmannsfrauen,
die am Markt wohnten, einherzuschreiten, mit ihnen zu plaudern und die teuersten
Fleischstücke auf dem Markt zu bekommen, das war eine Zukunft, die sich Sieglinde
in leuchtenden Farben ausmalen konnte. An guten Tagen.
    Heute aber
war kein guter Tag. Sie war bereits mit Kopfschmerzen aufgewacht, nichts, auch kein
kaltes Wasser konnten sie vertreiben. Dieses endlose Stillstehen bei der Anprobe
verschlimmerte ihre Laune. Sie merkte das und wollte nichts dagegen unternehmen.
    »Vico ist
ein fescher Mann«, hatte Berta gesagt. Sie hatte recht, gut gekleidet war er immer.
Er wusste sich unter den Leuten zu bewegen. Doch er war Vico und nicht Pascal. Diese
bittere Pille schmeckte heute umso bitterer und vermieste ihr den Tag.
    »Nun könnt
Ihr vom Schemel steigen. Eure Magd wird Euch beim Umkleiden helfen. Achtet auf die
Nähte.«
    Die Stimme
des Schneiders holte Sieglinde aus ihren Gedanken. Er hatte eine eigentümliche Art,
das ›s‹ auszusprechen, so als stoße seine Zunge dabei unwillkürlich an den Gaumen,
ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Sieglinde hielt es für eine Marotte.
    Sie hatte
nicht bemerkt, dass Katrein wieder zurück war. Verschüchtert hielt sie einen Becher
mit Wasser und blickte sie an. Sieglinde nickte ihr zu, während die beiden Männer
die Stube verließen. Als Katrein zögerte, fuhr Sieglinde sie an: »Willst du, dass
ich bis zum Morgengrauen hier stehen muss?«
    Katrein
half ihr aus dem unfertigen Gewand, und zum ersten Mal an diesem Tag verspürte Sieglinde
eine gewisse Erleichterung. Sie schlüpfte in ihr normales Kleid, strich die Falten
glatt.
    »Es ist
die richtige Entscheidung. Nur, warum war Vater so gegen Pascal?«
    Erst als
sie den fragenden Blick der Magd sah, erkannte sie, dass sie die Worte laut ausgesprochen
hatte. Doch warum auch nicht. »Sag du es mir, was hat er gegen ihn? Er ist fesch
anzusehen, scheint ein guter Kaufmann zu sein. Er kommt aus angesehenem Pariser
Haus.«
    Katrein
antwortete leise: »Ich weiß es nicht, Herrin.«
    Sieglinde
beachtete sie nicht, ging zu dem Hocker, auf den sie das Hochzeitskleid gelegt

Weitere Kostenlose Bücher