Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
zeigen.«
Er spürte,
wie sie die Luft anhielt. Die Katze strich um ihre Beine und miaute als Aufforderung,
sie weiter zu streicheln. Jolanthe ging in die Knie, lehnte sich mit dem Rücken
gegen die Wand und kam der Aufforderung nach. Pascal wollte gerade erneut ansetzen,
als sie sagte: »Wie könnte ich Euch bei so etwas begleiten? Eine Frau gemeinsam
mit einem fremden Mann? Mein Ruf ist zwar nicht sonderlich gut, aber zumindest betitelt
mich keiner als Hure, und das soll auch so bleiben.«
»In Ulm
erfährt niemand etwas davon, und in Augsburg kennt man uns nicht. Ich gebe Euch
als meine Cousine aus. Ihr müsstet Euch lediglich dazu überwinden, mich etwas vertraulicher
anzusprechen.«
Er hörte
ihr leises Lachen, und wieder sagte sie eine ganze Zeit lang nichts. Schließlich
hielt er es nicht mehr aus, ging in die Knie und sah ihr ins Gesicht.
»Ich meine
es ernst. Ich will Euch helfen, weil ich sehe, wie ihr hier behandelt werdet, und
weil ich sehe, dass sie Euren Wert nicht anerkennen. Ihr seid besser als mancher
Kaufmann, glaubt es mir. Ihr müsst nur endlich damit beginnen, als einer zu handeln.
Zögert nicht mehr, sondern lasst Euch auf dieses Abenteuer ein. Was habt Ihr denn
sonst für Alternativen?«
»Ich weiß
nicht, ob ich Euch trauen kann.«
»Ein guter
Kaufmann geht Wagnisse ein, und ein sehr guter Kaufmann schätzt die Situation so
ein, dass er bei den Wagnissen gewinnt.«
Sie blickte
ihn an. Das Dämmerlicht in diesem Gang zwischen den Häusern ließ ihre Konturen verschwimmen,
dennoch konnte er erkennen, dass sie mit sich rang.
»Diese Idee
ist verrückt, aber sollte ich tatsächlich die Dummheit begehen, ihr zuzustimmen,
könnte ich Sieglinde und dem Vater sagen, dass ich ein paar Tage zu Martha auf die
Burg gehe.«
»Schön.
Dann müssen wir nur noch ein Pferd für dich besorgen.«
»Keine Sorge,
lieber Cousin, darum musst du dich nicht kümmern.«
Der Streit am Abend mit Sieglinde,
der auf Jolanthes Eröffnung hin folgte, war kurz und heftig gewesen. Die Schwester
missbilligte Jolanthes Tun. Statt sich bei Martha nur noch mehr unnützes Zeug einreden
zu lassen, solle sie sich lieber endlich auf das besinnen, was einer Frau anstand.
Schließlich habe sie, Sieglinde, einen Ehemann und den kranken Vater zu versorgen.
Katrein und die Köchin könnten Hilfe gebrauchen. Jolanthe hatte nicht an sich halten
können bei dieser so vieldeutigen Aussage.
»Du lässt
mich nicht einmal mehr zu Vater rein, wie soll ich mich dann um ihn kümmern? Ist
doch klar, dass alles an dir hängen bleibt, du reißt ja auch alles an dich!«, hatte
sie Sieglinde angebrüllt. Zu spät fiel ihr der triumphierende Ausdruck der Schwester
auf, ja sie hatte sich provozieren lassen. Und zum Vater durfte sie nach ihrem Ausbruch
erst recht nicht. »Sonst kommst du wieder mit deinen dubiosen Geschäftsideen an,
das will er nicht, und ich werde es verhindern, dass du ihn aufregst, glaub mir
das.«
Gibt es
kein Kraut gegen dieses Weib?, fragte sich Jolanthe, als sie die Tür des Hauses
hinter sich zuzog. Über den Dächern breitete sich der erste Schimmer Morgenlicht
aus. Auf der Straße streunte ein Hund, der an einem Haufen Unrat schnüffelte und
weiterlief. Jolanthe zog die Kapuze ihres Umhangs ins Gesicht und hüllte sich eng
in den Stoff. Kühl war es noch, vor allem so früh am Morgen. Der Sommer streckte
nur tagsüber hier und da seine Fühler aus. Gänzlich angekommen war er noch nicht.
Jolanthe
blies die kalte Luft vor sich her, als sie sich auf den Weg zum Stadttor machte.
Mehr noch als der Streit machte ihr der Ausdruck in Sieglindes Augen zu schaffen.
Sie konnte sich nicht erinnern, dass Sieglinde ihr je soviel Abneigung entgegengebracht
hatte wie in letzter Zeit. Seit ihrer Heirat, genau genommen, vielleicht auch schon
seit dem Unfall des Vaters.
Tatsache
war, dass sich der Vater durch Jolanthes Handeln wieder auf dem Weg der Besserung
befand. Er erholte sich von der Amputation, der herbeigeholte Medikus versicherte,
alles liefe seinen Gang, und vermutlich war es in der Tat gut, wenn er ein paar
Tage nichts vom Kontor zu hören bekam. Diese Gedanken trösteten Jolanthe nur wenig
darüber hinweg, dass sie ihn sehen wollte, mit ihm reden wollte, den Irrtum, dem
hier alle aufzusitzen schienen, erklären wollte. Das, was sie tat, sollte zum Besten
des Kontors sein, zu seinem Besten. Wenn das keiner sehen wollte, so würde sie dafür
sorgen, dass sie die Augen aufmachen mussten. Allen voran ihre Schwester
Weitere Kostenlose Bücher