Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
inne und schien auf eine Reaktion von ihm zu warten.
Seit ihrer Hochzeit mit Vico hielt er sich fern von ihr, nun aber hatte er keine
Wahl, als sich zu ihr zu gesellen.
»Was habt
Ihr hier zu suchen?«, empfing sie ihn. »Mit Jolanthe könnt Ihr nicht sprechen.«
Offenbar
hatte Vico ihr erzählt, dass er Pascal und Jolanthe zusammen gesehen hatte. Obwohl
sonst so wortgewandt, fiel ihm nun keine Antwort ein. Die Abneigung, die ihm entgegenschlug,
hatte er nicht erwartet.
»Natürlich
rede ich auch gern mit Euch«, sagte er schließlich und fand sich wenig originell.
»Es ergab sich schon so lange nicht mehr.«
Sieglinde
zog ihre Brauen zusammen, was ihrem sonst so hübsch anzusehenden Gesicht eine unschöne
Note gab. Vielleicht lag es auch an ihrem Blick, mit dem sie ihn musterte. Eine
Kälte lag darin, die ihm nicht gefiel.
»Lasst die
Finger von meiner Schwester, ich rate es Euch. Einen Fremden wie Euch will hier
niemand sehen, und im Übrigen, falls ihr es noch nicht bemerkt habt, sie interessiert
sich für keinen Mann.«
»Nur für
ihre Bücher, ich weiß.« Pascal fuhr sich über das Kinn und überlegte, wie er sich
aus dieser unangenehmen Begegnung verabschieden konnte, ohne Sieglinde noch mehr
gegen sich aufzubringen. Er konnte nicht erkennen, was sie so verärgert hatte.
»Dieses
Kontor hier wird von meinem Mann Vico Kunzelmann geführt. Mit ihm setzt Euch in
Verbindung, wenn Ihr etwas von uns wollt.«
Sie betrat
das Haus und schlug die Tür hinter sich mit Schwung wieder zu. Pascal blinzelte,
rieb sich erneut das Kinn und beschloss, dass dieser Ausflug hierher nicht so verlaufen
war, wie er sich erhofft hatte. Er ging ein paar Schritte und hörte auf einmal ein
leises: »Pssst, hier bin ich.«
Ein Blick
nach rechts, aber zunächst konnte er nichts erkennen.
»Na hier!«
In dem schmalen
Durchgang, der zwischen zwei Gebäuden geblieben war, sodass man von der Straße aus
zu den dahinterliegenden Gärten und Höfen gelangen konnte, erkannte er Jolanthe.
Er trat näher und sah eine Katze auf ihrem Arm, die sie mit flacher Hand streichelte,
erst über den Kopf, den das Tier ihr mit geschlossenen Augen entgegenhielt, dann
weiter über den Nacken, den Rücken bis zum Schwanz und dann wieder von vorn. Er
hörte das zufriedene Schnurren.
»Kommt her«,
Jolanthe rückte ein Stück weiter in das Dämmerlicht, sodass er Platz neben ihr fand,
ohne gleich von der Straße aus gesehen zu werden.
»Eure Schwester
hört uns hier nicht?«, fragte er vielleicht ein wenig zu direkt. Doch diese Frage
war ihm wichtig.
»Sie hat
es Euch ganz schön gegeben, was?« Jolanthe verzog einen Mundwinkel. Die Katze schnurrte
weiter. »Nun wisst Ihr’s von offizieller Stelle, wer hier das Sagen hat.«
»Vor allem
weiß ich wer nicht.« Er kraulte die Katze mit dem Zeigefinger unter dem Kinn und
berührte dabei wie unabsichtlich Jolanthes Arm. Er mochte ihre Wärme, ihre Nähe
und die Bewegung, mit der sie die Katze streichelte.
»Meinem
Vater wurde das Bein abgenommen«, sagte sie so unvermittelt, dass er seine Hand
zurückzog.
»Ist das
eine gute oder eine schlechte Nachricht?«
Sie zögerte
kurz. »Eine gute, hoffe ich. Der Medikus war bei ihm. Mein Vater hat viel Blut verloren
und war davor schon nicht mehr kräftig. Er hat Schmerzen, aber es sieht besser aus,
sagt der Medikus. Das verlorene Blut bewirke auch eine Reinigung der aus dem Gleichgewicht
geratenen Säfte.«
»Er wird
sich sicher erholen.« Dieser alte Knochen war zäh. Wenn eines sicher schien, dann
das.
»Sieglinde
hat mich heute Morgen beschimpft, weil ich Martha, die Kräuterfrau, geholt habe.
Sein Bein hätte nicht amputiert werden müssen, sagt sie.« Sie bückte sich, um die
Katze auf den Boden zu lassen. Pascal vermutete, dass sie mit dieser Bewegung verhindern
wollte, dass er ihren Gesichtsausdruck sah. Er beschloss, dass Ablenkung nicht verkehrt
war, und wechselte das Thema. »Wolltet Ihr nicht, dass ich Euch mit den Gewürzen
helfe?«
»Ich habe
keine Möglichkeit, welche zu kaufen. Kommt mir nicht wieder mit Eurem Angebot. Ich
mache keine Schulden.« Sie richtete sich auf.
»Nein, ein
anderes Angebot. Als guter Kaufmann müsst Ihr zwar auf andere vertrauen lernen,
aber ich sehe auch, dass Ihr Euch vielleicht noch zu unsicher im Handel bewegt.
Ihr müsst noch lernen.«
»Was wollt
Ihr mir damit sagen?«
»Es hat
sich ergeben, dass ich in den nächsten Tagen nach Augsburg reisen muss. Begleitet
mich, und ich werde Euch das Wichtigste
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