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Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Rosemann
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Sieglinde!
    Sie schob
den Riemen ihres Beutels wieder auf die Schulter, von der er zu rutschen drohte.
Dann schlenderte sie weiter. Es gab keinen Grund zur Eile, die Stadttore würden
erst mit dem beginnenden Morgen geöffnet. In Bewegung zu bleiben aber half ihr,
ihrer Unruhe Herr zu werden. Nun ja, auch nicht wirklich, dachte sie.
    In der Nähe
des Stadttores drückte sie sich an einer Hausecke herum und wartete darauf, dass
die Wachen die schweren Holztore aufschoben. Sicher sammelten sich auf der anderen
Seite bereits die Bauern aus dem Umland mit ihren Karren, denn heute war Markttag.
Doch auf der innerstädtischen Torseite stand nur sie. Gut so, dachte sie. Sie wollte
von niemandem angesprochen werden. Einen ganzen Tag hatte sie sich von Pascal auserbeten,
um mit Martha das Wichtigste besprechen zu können, bevor er morgen früh in ihrer
Burg eintraf. Dann würden sie gemeinsam nach Augsburg weiterreiten. Er hatte ihr
ein Mietpferd besorgen wollen in dem Stall außerhalb der Stadtmauern, wo er sein
eigenes Pferd untergebracht hatte. Jolanthe lehnte ab. Er sollte kein Geld für sie
ausgeben. Und zudem wollte sie ihre Freundin von jetzt an in all ihre Schritte einweihen,
ihre Hilfe und ihren Beistand nicht länger ausschlagen, so etwas war töricht. Je
früher Martha erfuhr, worum es ging, desto besser. Außerdem besaß sie ein Pferd,
das sie Jolanthe leihen konnte.
    Sie hörte
Stimmen vom Turm, dann das Knirschen von Metall auf Holz, mit dem der Riegel zurückgezogen
wurde. Zwei Männer stemmten sich gegen die Torflügel und schoben sie nach außen
auf.
    »Zurück!«,
hörte sie den einen brüllen. »Verflucht, zurück mit euch!«
    Die ersten
Karren passierten das Tor. Jolanthe zwängte sich gegen den Strom nach draußen und
machte sich auf den Weg zur Burg. Die Vögel in den Baumkronen stimmten ihr Frühlingslied
an. Auf dem Wasser der Donau ankerten Lastkähne, die hier zur Nacht vertäut worden
waren, um am Tag darauf ihre Reise fortzusetzen. Jolanthe schritt schnell aus und
spürte, wie die gedrückte Stimmung zumindest zum Teil von ihr abfiel, auch wenn
sich der Ärger so tief in ihr eingenistet hatte, dass er nicht mehr fortzudenken
schien.
    Bei Marthas
Zuhause angekommen, nahm ihr Ludwig den Beutel ab, während die Freundin sie kräftig
umarmte. Wie gut das tat. Erst als Martha sich ihre Zusammenfassung der Ereignisse
mit ernstem Gesichtsausdruck – und ohne sie auch nur einmal zu unterbrechen – angehört
hatte, kamen Jolanthe Zweifel, ob ihr Mut nicht eher Torheit war.
    »Natürlich
leihe ich dir ein Pferd, ganz gleich, was für Dummheiten du damit anstellst«, sagte
Martha, und als sie Jolanthes fragenden Blick bemerkte, fügte sie an: »Wer ist dieser
Kerl, dieser Pascal?«
    Ja, wer
war Pascal? »Ein Kaufmann aus Frankreich, der mir hilft, seit Vater krank ist. Ich
habe dir doch von ihm erzählt.«
    »Und welchen
persönlichen Nutzen zieht er daraus?«
    »Keinen?
Er ist freundlich?«
    »Deinen
schnippischen Ton behalte bei dir, ja?«
    »Entschuldige.«
Jolanthe biss sich auf die Lippe und schwieg. Natürlich war ihre Entgegnung unpassend
gewesen, aber musste Martha ausgerechnet die Schwachstelle ihres Planes ansprechen?
Wenn sie weiter nur zweifelte und zauderte, dann wurde das nie was mit ihrem Erfolg
als Kaufmann. Pascal hatte recht! Und letztlich hatte Martha ihr doch erst geraten
voranzugehen. Sie standen immer noch im zugigen Eingangsbereich, und Martha schüttelte
den Kopf.
    »Du bist
sicher, dass niemand etwas erfährt? Wenn sich in Ulm herumspricht, dass du mit einem
fremden Mann unterwegs bist, dann weißt du, was dir blüht.«
    »Vater findet
keinen Ehemann mehr für mich. Dann muss ich auf ewig für Sieglinde Böden schrubben.«
    Martha lachte.
»Na gut, Böden schrubben kannst du auch bei mir. Du willst also eine weite Strecke
reiten? Dann solltest du dich heute noch an den Pferderücken gewöhnen.«
    Martha nahm
sich ihren Umhang und scheuchte sie mit einer Handbewegung nach draußen.
    »Pascal
ist ein guter Mann. Ich spüre das, Martha. Und wenn ich jetzt nicht handle, wird
mich Sieglinde mit Billigung des Vaters an irgendeinen dahergelaufenen Handwerker
verhökern.«
    Martha blieb
stehen und blickte sie an. »Ich mach mir Sorgen, Mädchen, das ist alles. Und so
wenig ich von Winald halte, verhökern wird er dich nicht. Das weißt du.«
    Im Stall
roch es nach Stroh und Pferd. Es schien Jolanthe wärmer als draußen, so als heizten
die Tiere die Holzwände auf mit ihrer Körperwärme.

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