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Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Rosemann
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Wir müssen bereit sein, Wagnisse einzugehen, wenn wir wirklich
etwas verdienen wollen. Fahre ich mit den Mitteln, die mein Unternehmen hergibt,
nach Mailand und will Seide erstehen, so kommt mir ein besser Betuchter zuvor und
kauft mir die Ladung vor der Nase weg. Glaub mir, wenn dein Vater in seinem Kontor
weiterhin nur auf seine kleinen lokalen Barchentgeschäfte setzt, dann wird das euer
Untergang sein. Ich weiß, dass du mehr kannst. Trau dich.«
    Jolanthe
lehnte sich ein wenig über die Brüstung und starrte nach unten. Der Schwindel setzte
wieder ein, doch sie hielt ihm stand, erlaubte sich keinen Rückzug. Langsam wich
die Beklemmung einem euphorischen Gefühl der Weite und Freiheit. Hatte Pascal recht?
    »Ich leihe
mir kein Geld. Schon gar nicht bei dir.«
    »Denk über
meine Worte nach«, antwortete Pascal. Plötzlich spürte sie seine Hand an ihrer Wange.
Sie sah ihn an. »Ich werde dir nichts aufdrängen.« Seine Stimme war sanft geworden.
Er ließ sie los und entfernte sich von ihr. »Wir müssen zurück«, rief er, als sie
zögerte. Ein letzter Blick nach unten, und sie folgte ihm.
     
    Jolanthe und Pascal trennten sich
vor dem Münster. So als wisse er, dass sie das Gehörte überdenken musste, verschwand
er mit einem Gruß, der ihr viel zu knapp vorkam für die Nähe, die sie oben auf dem
Turm gespürt hatte. Unsinn, das war keine Nähe, er wollte mich nur festhalten, weil
er gemerkt hat, dass ich Angst habe in so großer Höhe.
    Sie war
an der Seite des Münsters vorbeigeschlendert und hielt nun an, um hochzusehen. Die
Arbeiter auf den Gerüsten waren von hier unten nur als kleine Figuren erkennbar.
Ihre Gespräche hörte man gar nicht. Ob sie Gott dort oben näher waren? Sie selbst
hatte nichts gespürt, nur den Luftzug und Pascals Wärme. Geschickt hatte er das
eingefädelt, das erkannte sie. Sie an einen solch ungewohnten Ort zu führen, lenkte
zumindest so weit ab, dass sie sich gegen das, was ihr erzählt wurde, weniger wehren
konnte. Hätten wir auf einer Wiese gesessen, wäre ich abweisender gewesen, dachte
sie. Und doch, vielleicht hatte er recht?
    Sie lenkte
ihre Schritte in Richtung Handelshaus. Wenn sie irgendwo Pascals Worte prüfen konnte,
dann dort. Vor dem Haus hatte sich eine Gruppe Kaufleute zusammengefunden, die miteinander
debattierte. Jolanthe kannte sie alle. Sie blieb unauffällig stehen und schob sich
dazwischen, ohne zu grüßen. Sie wollte die Kaufleute nicht auf sich aufmerksam machen.
    »Es ist
eine Schande! Ich wiederhol’s noch einmal«, rief der Kaufmann Neidhardt und schlug
mit der Faust in die flache Hand.
    »Dass der
Kaiser das zulässt! Mit seinen Schulden treibt er uns alle in den Abgrund.«
    »Ein Unsinn.
Wir sind eine freie Reichsstadt, uns treibt niemand in den Ruin.«
    »Höchstens
die neue Art, Geschäfte zu machen«, mischte sich Jolanthe ein und erntete erstaunte
Blicke. »Ich meine, die Fernkaufleute, sie machen doch auch Schulden, um möglichst
viel Ware zu erwerben, oder nicht? Mein Vater sagt immer, Schulden sind schlecht.«
Sie wusste, dass sie sich ungebührlich benahm. Eine Frau mischte sich nicht so forsch
in ein Männergespräch. Doch zum einen kannten die Männer sie, und zum anderen hoffte
sie, ihre Neugier an dem neuen Thema geweckt zu haben. Die Atmosphäre war aufgeheizt
genug, um ein neues Streitthema gierig aufzunehmen.
    »Nun ja,
ganz so ist es ja nicht«, begann Kaufmann Neidhardt.
    »Nicht?«,
unterbrach ihn der Fütterer. »Von wegen, der Hochreitner ist fast bankrott gegangen
durch solche Geschäfte. Ich hingegen schwöre auf den Barchent- und Tuchhandel, der
hat unsere Stadt reich gemacht, und der wird uns den Wohlstand erhalten.«
    »Viele sagen
aber, das althergebrachte Denken halte den neuen Zeiten nicht stand«, warf Jolanthe
dazwischen und entfachte damit eine rege Diskussion, in der sie als Zuhörerin verschwinden
konnte.
    Schließlich
gab einer zu: »Ich habe durch ein Kreditgeschäft fast alles verloren. Es war ein
Wagnis. Ich habe Seide aus China geordert, bezahlt, und die ist mir auf der Reise
hierher verfault. Was macht man dann? Kein Geld, keine Ware, und der Gläubiger sitzt
einem auf der Pelle.«
    »Hast du
sie im Winter transportiert? Da ist es in den Alpen viel zu feucht.«
    »Und was
ist mit den Fugger-Brüdern und den Medici? Die wissen, wie man an Reichtum kommt,
und sie haben keine Scheu, Geld zu leihen.«
    »Ich habe
guten Gewinn mit einem Salzgeschäft machen können. Die im Norden können vom weißen
Gold nicht

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