Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Jolanthe an. Sie setzte ihr unverbindliches Lächeln auf
und hielt sich noch ein wenig gerader, die Schultern gestrafft. Sollten sie doch
schauen.
»Du hast
eine Idee, wie wir unser Geschäft besser führen könnten?«, fragte Vico und lehnte
sich mit verschränkten Armen zurück.
»Ihr müsst
Salz kaufen und in den Norden transportieren. Salz wird dort oben in Massen benötigt,
um den gefangenen Fisch haltbar zu machen.«
»Woher weißt
du das nun wieder?«, fragte Sieglinde.
»Ich höre
zu, wenn die Kaufleute im Kaufhaus miteinander debattieren.«
»Und da
hat dir einer das mit dem Salz erzählt? Wer und was hat er gesagt?«, fragte Winald.
Seine Stimme zeugte von ehrlicher Neugier. Jolanthe hatte nicht erwartet, ihn so
leicht für das Salz interessieren zu können. Ein Hoffnungsschimmer?
»Er hat
sich sehr dafür ausgesprochen, sein Augenmerk auch auf andere Ware zu lenken, die
hier oder dort benötigt wird, ich glaube, der Neidhardt war es. Hat wohl schon eine
Menge mit dem Salz verdienen können.«
»Unser Metier
ist der Tuchhandel«, mischte sich Vico ein. »Da kennen wir uns aus.«
»Schon gut«,
beschwichtigte Winald und nahm einen Schluck Wein, den er erst einmal eine ganze
Weile im Mund behielt, so als wolle er den Geschmack bis aufs Äußerste auskosten.
Endlich schluckte er und sprach weiter: »Jolanthe, du hast ein gewisses Geschick
mit den Büchern, das lässt sich nicht leugnen, aber du solltest dich vom Kaufhaus
fernhalten. Es ist nichts für junge Frauen.«
Also doch
nicht. Wie hatte sie auch nur einen Wimpernschlag lang glauben können, der Vater
würde auf das, was sie sagte, eingehen? Das hatte er noch nie auf Anhieb getan und
würde es auch jetzt nicht tun. Er schien seit seinem Unfall nur noch sturer in seinen
Ansichten geworden zu sein. Aber sie hatte nicht vor, so schnell aufzugeben.
»Wenn ich
nur nicht zu so einem Krüppel geworden wäre!« Unvermittelt schlug Winald mit der
Faust auf den Tisch, sodass alle zusammenschraken. »Wenn ich mich nur selbst wieder
um die Geschäfte kümmern könnte, dann würde ich zu unseren Zulieferern reiten und
ihnen Beine machen.«
Als sie
das Essen beendet hatten, bedeutete Winald Jolanthe zu bleiben, während die anderen
den Raum verließen. Er sah müde aus, wie er so dasaß und sich das Kinn kratzte.
Auch die Falten auf seiner Stirn hatten sich vertieft, obwohl seine Hautfarbe wieder
gesünder wirkte. Er tat ihr leid. Jolanthe spürte das Bedürfnis, zu ihm zu gehen,
sich an ihn zu schmiegen und von ihm wie früher beruhigend über den Kopf streichen
zu lassen. Doch sie war kein kleines Mädchen mehr. Deshalb blieb sie sitzen und
wartete.
»Dieses
vermaledeite Bein. Es tut weh, obwohl es nicht mehr da ist. Das geht nicht mit rechten
Dingen zu.« Winald sah sie so durchdringend an, dass sie den Blick senken musste.
»Es geht
Euch doch wieder gut, Vater.«
»Den Umständen
entsprechend.«
»Warum überdenkt
Ihr meinen Vorschlag mit dem Salz nicht? Beachtet, dass die Fischer im Norden große
Mengen benötigen. Sie brauchen Kaufleute, die ihnen Nachschub liefern, ständig.
Es wäre wirklich besser, wenn …«
»Wenn der
Neidhardt das so herumerzählt, glaubst du nicht, dass sich da bereits genügend Händler
angesprochen fühlen? Wenn es wirklich eine solche Goldgrube wäre, würde er schweigen
und sein Geschäft allein erledigen.«
»Es war
eine hitzige Diskussion.«
»Du bist
unerfahren und solltest lernen, dich zurückzuhalten. Du meinst es gut, doch es ist
nicht nötig, sich Sorgen zu machen.«
»Oh doch!«
Jolanthe richtete sich auf. »Sorgen sind sehr wohl nötig, weil Vico und Sieglinde
mehr ausgeben, als durch den Handel hereinkommt. Vater, Ihr überprüft doch die Bücher,
Ihr müsst das doch sehen.«
»Eine vorübergehende
Angelegenheit. Du bist geschickt mit den Zahlen, Jolanthe, aber manchmal glaube
ich, du machst dir zu viele Gedanken über das, was du dort einträgst. Zum Handeln
muss man geboren sein. Das kann man nicht erlernen.«
»Aber ich
bin gut darin!« Sie musste an sich halten, um ihm nicht von ihrem Geschäft mit dem
Safran zu erzählen. Noch durfte er nichts davon wissen, zu groß war die Gefahr,
dass er ihr die Umtriebigkeit verbot.
»Du bist
eine junge Frau. Du gehörst nicht ins Tuchkaufhaus. Vor allem eins: Traue nicht
jedem, der dir zu Sachen rät, die du nicht überschauen kannst. Nicht immer sind
solche Ratschläge frei von Hintergedanken, mit denen sich der, der rät, einen
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