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Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Rosemann
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tun«, antwortete sie.
    »Keine Sorge.«
    Keine Sorge,
na der Kerl war sonnig. Und warum scheuchte er sie überhaupt hoch auf einen Turm?
Was bezweckte er damit? Jolanthe machte den Fehler, doch wieder durch eines der
Fenster zu schauen. Ihr schwindelte, sie musste sich an der kalten Wand abstützen.
    »Das ist
ungewohnt, ich weiß«, beruhigte Pascal sie. »Wir sind gleich oben, geh einfach,
sieh nicht hinunter.«
    Er redete
weiter, erzählte ihr irgendeine Anekdote, von der er gehört hatte. Sie konnte ihm
nicht folgen, dennoch lenkten seine Worte ab, und sie wurde wieder ruhiger.
    Die Treppen
endeten unvermittelt. Sie betraten eine Plattform. Weiter vorn sah Jolanthe Baugerüste
und einen Kran, der Steine über eine Winde hochzog auf die nächsthöhere Ebene. An
Baugerüsten kletterten Arbeiter, riefen sich etwas zu.
    »Keine Sorge,
die arbeiten dort hinten, die sehen uns nicht«, beruhigte sie Pascal.
    »Hast du
den Baumeister bestochen? Oder warum traust du dich hier hoch?«
    Jolanthe
legte die Hände auf die Steinbrüstung und hielt den Atem an. Wind pfiff um ihre
Nase, doch was sie am meisten beeindruckte, war der weite Blick auf grüne Hügel,
Spielhausdächer von Dörfern. Pascal legte den Arm um sie und hielt sie.
    »Es ist
beeindruckend, gib es zu«, sagte er leise in ihr Ohr. Sein Atem kitzelte sie.
    »Sag doch
endlich, wen hast du bestechen müssen, damit wir hier hoch dürfen?«
    Er lachte.
»Dort hinten, siehst du die hohen Berge? Dahinter liegt Italien. Die Handelszüge
ziehen tagelang über Pässe, lassen sich von einheimischen Schutzpatrouillen begleiten
oder organisieren gleich selbst welche. Wegzölle müssen entrichtet werden, und oft
geht es neben den Wegen tiefer hinab als hier. Gesetzlose warten nur darauf, dass
ein Fehler gemacht wird, damit sie zu reicher Beute kommen. Und dann, wenn man endlich
die Ebene des Südens sieht und sich am Ziel wähnt, sind es auch noch mal ein paar
Tagesreisen bis nach Venedig.«
    »So wie
du es erzählst hat, man das Gefühl, man sei dabei gewesen.«
    »Ich war
dabei. Schon oft. Glaub mir, es ist keine leichte Reise, die macht man nicht wegen
drei Pfefferkörnern und fünf Fäden Safran.«
    »Worauf
willst du hinaus?« Jolanthe rückte ein Stück von ihm ab.
    »Weißt du«,
antwortete er und zog sie erneut zu sich. »Du hast es doch eben gesehen, wenn man
seinen Standpunkt verändert, dann verändert sich auch der Horizont. Wir sind lediglich
ein paar Stufen hinaufgestiegen, und nun sehen wir die Alpen. Wären wir noch höher,
könnten wir bis Venedig blicken. Ich stelle mir oft vor, dort oben zu fliegen wie
ein Vogel, alles zu überblicken.«
    »Und damit
alles unter Kontrolle zu haben? Was sollte das bringen?«
    »Muss denn
immer alles einen Sinn und Zweck verfolgen?«
    »Vielleicht
nicht, aber in diesem Fall bin ich mir sicher, dass du einen im Kopf hast.«
    »Du bist
zu schlau.«
    »Nein, du
zu durchsichtig.«
    Sie schwiegen
eine Zeit lang, und Jolanthe wehrte sich nicht mehr gegen seine Nähe.
    »Du hast
Kaufmannsblut in dir«, nahm er schließlich den Faden wieder auf. »Und du bist genug
Spielerin, um das Risiko nicht zu fürchten. Du weißt es nur noch nicht.«
    »Unsinn!«
Etwas sträubte sich in ihr gegen seine Worte. Sie konnte es nicht konkret fassen.
    »Wenn du
erfolgreich handeln willst, dann musst du bereit sein, Risiken einzugehen. Heutzutage
zum Beispiel reist keiner mehr mit vollen Münzschatullen den Weg dorthin.« Er zeigte
in Richtung der Berge am Horizont. »Wir führen Wechsel mit uns und vertrauen auf
sie, und es geht.«
    »Komm zum
Punkt.«
    »Die neuen
Methoden im Handel, die um sich greifen, werden in Kürze genauso einen Umbruch bedeuten,
wenn nicht noch mehr. Die Kaufleute, die dem Alten verhaftet bleiben, werden nicht
mehr mithalten können. Im Fernhandel kommt es darauf an, als Erster vor Ort zu sein,
um Ware billig einzukaufen. Billiger wird sie, je mehr ich abnehme, und das geht
irgendwann nur noch mit geliehenem Geld.«
    Darauf wollte
er also hinaus. Ich hätte es mir denken können.
    »Kaum einer
kann so große Summen aufbringen, um mal eben eine komplette Schiffsladung Baumwolle
zu erstehen. Hat er durch geliehenes Geld dennoch die Möglichkeit, gehen sämtliche
Kaufleute, die nach ihm kommen, leer aus. Ich bin mir sicher, du kannst die Folgen
davon selbst erkennen.«
    Natürlich
konnte sie. Wenn nur einer mit Baumwolle in die Heimat reiste, so konnte er nahezu
beliebig ihren Preis bestimmen.
    »Die Zeiten
stehen im Wandel.

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