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Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Rosemann
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Gott wieder seine Hand über sie
hielt, das zumindest fand sie.
    Sie verschränkte
die Arme und beobachtete eine Horde Kinder beim Fangen spielen. Noch mehr Unruhe.
Ihre Sorge, auch bei ihr könne es bald soweit sein, hatte sich in den letzen Tagen
verstärkt. Sie hatte die Hebamme um Rat gefragt. Die hatte ihr den Leib abgetastet
und bestätigt, dass die Anzeichen günstig dafür stünden, dass ihr Körper gerade
ein Kind austrage. Sieglinde hasste diese Vorstellung, und sie hasste die Frau,
die ihr freudestrahlend Glück gewünscht hatte.
    »Doch, wartet
bis Ihr es erzählt«, hatte sie ihr zugeraunt. »Zu Beginn nimmt uns der Herrgott
leider viel zu oft unsere Leibesfrucht, also betet, schont Euch und kommt bald wieder
zu mir.«
    Sie betete,
ja, allerdings dafür, dass der Herrgott sie dieses eine Mal nicht verschonte. Sie
würde Vico fortan zu den Huren schicken, und alles wäre wieder gut.
    Zwei der
Rotzlöffel fingen an, sich um eine Brezel zu balgen, die sie am Stand des Bäckers
zugesteckt bekommen hatten. Mit drei Schritten war Sieglinde bei ihnen, hielt sie
an den Oberarmen fest und zog sie auseinander.
    »Wie könnt
ihr hier solch ein Geschrei veranstalten? Die Brezel wird gerecht geteilt!«
    Sie nahm
dem einen das Gebäck aus den schmutzigen Fingern und brach es durch. Dann sah sie
die Kinder an, die mit großen Augen zurückschauten. Bei diesem Anblick musste sie
wider Willen lächeln. Es stimmte, Kinder waren ein Geschenk Gottes. Wenn nur ihr
Weg in die Welt nicht so beschwerlich wäre – vor allem für die Mutter. Sie nickte
und gab den beiden je eine Hälfte. Dann strich sie über die Kinderköpfe und wandte
sich ab.
    Sie ging
an Marktständen vorbei, bis ihr Blick auf Vicos Ladengeschäft fiel. Ihr Mann verbrachte
mittlerweile viel zu viel Zeit dort und auf der Suche nach Kostbarkeiten, die er
seiner Kundschaft feilbieten konnte. Es laufe gut, beteuerte er ein ums andere Mal.
Sieglinde beschloss, ihn ein bisschen zu beobachten. Sie suchte sich eine Hausecke,
an der sie sich unauffällig anlehnen konnte, und tat so, als erfreue sie sich am
Treiben auf dem Marktplatz. Den Eingang von Vicos Laden konnte sie auf diese Art
gut überblicken. Mit wachsendem Erstaunen sah sie, wie Kundschaft ein- und ausging
und wer alles darunter war. Sogar die vornehme Frau eines Patriziers konnte sie
ausmachen. Kurz trat Vico nach draußen und plauderte mit einer Dame, die er zuvor
aus dem Laden geleitet hatte. Sie gestikulierte und lachte, dann verabschiedete
sie sich mit einem kleinen Winken und schickte ihren Knecht voran, der ihre Einkäufe
trug. Vico hatte erzählt, er habe einen Verkäufer angestellt, der den Laden betreue,
doch schien es so, als mache ihm der Verkauf selbst viel Freude.
    Er macht
das gut, musste Sieglinde zugeben. Sie konnte nicht sagen, wie lange sie da so gestanden
hatte. Unvermittelt verspürte sie die Lust, ihren Mann in seinem Ladengeschäft zu
besuchen, löste sich von der Hauswand, tat ein paar Schritte und hielt inne. Nein,
das war keine gute Idee. Er sollte nicht glauben, sie billige sein Tun. Dafür war
zu viel in der Schwebe. Sie dachte an Cornelius, der gerade unterwegs war, hinter
Jolanthe her. Er hatte Sieglinde eine Nachricht zukommen lassen, und sie hatte nur
den Kopf schütteln können über so viel Unverfrorenheit. Jolanthe reiste nach Venedig,
gab es denn so etwas? Sie brauchte nur in Vaters Kontor zu gehen und ihm brühwarm
alles zu erzählen und die Schwester wäre ein für alle Mal aus dem Weg. Doch das
schien ihr nicht sicher genug. Was, wenn der Vater auch diese Unmöglichkeit durchgehen
ließ? Sieglinde hatte beschlossen, die Gelegenheiten zu nutzen, die sich ihr boten,
und solange, wie sie nicht wusste, ob sie erfolgreich war oder nicht, würde sie
auch ihren Ehemann auf Abstand halten. Geduld, daran hatte es ihr noch nie gemangelt.
Und sie hatte nicht vor, ihre Schwester jemals wiederzusehen.

Kapitel 26
     
    Sie hatten Martha so gut es ging
versorgt und zum Hospiz gebracht. Auch einen der Kaufleute hatte der Steinschlag
erwischt. Ihn schienen mehrere Quetschungen zu quälen, zudem eine Kopfverletzung.
Sein Pferd hatte gescheut und ihn gegen die Felswand gedrückt. Mit Glück im Unglück
war er auf der richtigen Seite des Tieres gelaufen, sonst hätte es ihn in den Abgrund
geschoben. Nun lag er schon seit drei Tagen in einer Kammer, und sein Zustand besserte
sich nur langsam. Es war klar, dass die anderen eine Entscheidung treffen mussten,
was den Fortgang der Reise

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