Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
herumschleppte,
konnte man kaum annehmen, dass sie sich auf einem Pferd halten würde, aber bei ihr
wusste man nie. Und wenn sie beteuerte, es ginge ihr gut, dann musste man das glauben.
Sie würde ohnehin nichts anderes zulassen.
»Sie ist
zäh. Bis morgen ist noch etwas Zeit. Ich werde sie wieder mit der Salbe einreiben.«
»Du weißt,
dass ich bei euch bleibe, wenn ihr nicht weiterreisen könnt. Das ist meine Pflicht,
ich lasse euch nicht allein.«
»Mir geht
es gut, und Martha wird das auch schaffen.« War es wirklich nur Pflichtgefühl oder
verspürte er auch Sorge um sie? Sie fürchtete Ersteres und wünschte sich Letzteres.
Plötzlich
hing Anspannung in der Luft. Jolanthe meinte sie mit Händen greifen zu können. Seit
dem Morgen nach dem Überfall hatte sie nicht mehr mit Pascal allein geredet. Sie
spürte, dass etwas zwischen ihnen stand, da war nicht mehr die unbeschwerte Lockerheit.
»Jolanthe,
das in der Nacht im Kloster, ich …«, er zögerte, schien nach Worten zu suchen. »Ich
wollte dir nicht zu nahe treten.«
»Bist du
nicht.«
»Vergessen
wir es.«
»Wie du
meinst.«
Jolanthe
riss ein paar Grashalme aus und zerrieb sie zwischen den Fingern. Sie hasste diese
Verwirrung in sich, blickte erneut zu den Berggipfeln, die so unüberwindbar schienen.
Sie wollte offen zu Pascal sein und brachte es doch nicht fertig.
»Du musst
dir keine Gedanken machen.« Ohne darüber nachzudenken, was sie tat und ob das richtig
war oder falsch, rückte sie näher an ihn heran und nahm seine Hand, die auf seinem
Oberschenkel ruhte. Er erwiderte ihren Druck.
»Ich bin
froh, dass du bei uns bist«, sagte sie nur. Dann blickten sie erneut auf die Bergkulisse.
Das Schweigen hatte das Drückende verloren. Sie spürte seine Nähe und fühlte, dass
es gut so war.
Pascal war erleichtert gewesen,
als sie endlich die Berge hinter sich ließen und durch die Ebene in Richtung Venedig
ritten. Die Knechte hatten die Waren von den Maultieren auf Karren umgepackt, sodass
sie zügiger vorankamen. Er machte sich Sorgen um Martha, die sich zwar auf dem Pferderücken
hielt, aber deren blasses Gesicht die Schmerzen, die sie haben musste, nicht vertuschen
konnte. Jedes Mal, wenn er mitbekam, dass Jolanthe sie fragte, wie es ihr ginge,
antwortete sie nur »Sehr gut, frag nicht.«
Und nun
hatten sie ihr Ziel fast erreicht. Es tat gut, nach der beschwerlichen Reise endlich
anzukommen. Er hatte sich mehrmals gefragt, ob es richtig gewesen war, die beiden
Frauen mitzunehmen, nun wusste er, dass ihn vor allem die Verantwortung bedrückt
hatte. Im Nachhinein musste er zugeben, dass jemand wie Martha keine Fürsorge benötigte,
sie wusste auf sich aufzupassen.
Jolanthe
hingegen schien ihm noch unbekümmerter als zuvor, so als habe die überstandene Gefahr
sie bestärkt. Sie beobachtete, wie die Waren in Frachtboote umgeladen wurden, damit
man sie in die vorgesehenen Lager in Venedig bringen konnte. Dabei hatte sie die
Arme vor der Brust verschränkt und wippte mit dem Fuß, so als könne sie die Arbeit
auf diese Art beschleunigen.
»Schau nicht
so unfreundlich«, versuchte er sie zu necken.
»Was geschieht
hier, warum geht es nicht weiter? Warum müssen die Tiere in Ställen bleiben, können
wir nicht in die Stadt reiten?«
Er musste
schmunzeln, nahm sie bei der Schulter und drehte sie in Richtung Venedig. »Wie?«,
fragte er nur und ließ sie über das Wasser blicken, das sie von der Stadtsilhouette
trennte.
»Es gibt
doch sicher einen Weg. Venedig ist keine Insel, oder?«
»Die Stadt
ist auf Pfählen gebaut. Statt Straßen haben sie Kanäle.« Er genoss ihren erstaunten
Gesichtsausdruck und merkte wieder einmal, wie sehr es ihm gefiel, wenn er ihr Dinge
erklären konnte. »Warte es ab«, fügte er noch hinzu.
»Sie fahren
nur mit Booten? Die Häuser stehen im Wasser?«
»Nicht nur,
es gibt auch Wege. Sie haben Kanäle ausgehoben und Inseln aufgeschüttet, aber viele
Häuserfundamente ruhen auf Pfählen im Wasser.« Er sah ihr an, dass sie ihm nur schwer
glauben konnte.
Schließlich
zuckte sie mit den Schultern und meinte: »Ich habe so viel Ungewöhnliches auf der
Reise gesehen, warum nicht auch noch eine Stadt auf Pfählen?«
Sie schien
die Fahrt zu genießen in dem Boot, mit dem sie schließlich transportiert wurden.
Er konnte es daran sehen, wie sie nicht genug bekommen konnte vom Anblick der Häuser.
Holzbrücken überspannten den Canal Grande, der bespickt war mit Booten, deren Bootsführer
die Gefährte mit langen
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