Die Tochter von Avalon - Avalon High
Rippchen und einem Bottich Kartoffelsalat vor den Fernseher und aß - ohne irgendwas zu schmecken -, während die Nachrichtensprecher all die Veranstaltungen vorlasen, die wegen des heraufziehenden Sturms nicht stattfinden würden: Highschool-Footballspiele, verschiedene Lacrosse-Turniere, der County-Jahrmarkt, eine Regatta.
Ein Reporter in Baltimore, wo der Sturm - der offensichtlich
aus dem Nichts gekommen war - bereits gewütet hatte, stand neben einem Auto, das von einem durch Blitzschlag gefällten Baum platt gemacht worden war, und warnte vor den Risiken, die das Autofahren bei solch schlechtem Wetter barg.
Ein anderer Reporter wurde zugeschaltet, um darüber zu informieren, dass der Beltway, auf dem meine Eltern später an diesem Abend heimfahren würden, wegen einer gekappten Starkstromleitung, die die Leitplanken unter Strom gesetzt hatte, gesperrt war.
Wieder ein anderer Reporter ließ sich darüber aus, dass dieser unerwartete Orkan der Sturm des Jahrzehnts sei, bevor ein Einspieler Bilder von einem reißenden Hochwasser zeigte, das einen Geländewagen von der Straße und in einen Graben gespült hatte, wo nun eine vierköpfige Familie gefangen saß …
Plötzlich nahm ich es Mr. Morton gar nicht mehr so übel, dass er nach Tahiti gehen wollte.
Was natürlich Schwachsinn war. Nicht die Mächte der Dunkelheit hatten diesen Sturm ausgelöst. Ein Meteorologe kam ins Bild und redete über die berüchtigten Nor’ Easter-Winde, zu denen der aktuelle Sturm gehörte, über Kaltwetterfronten, die auf Warmwetterfronten trafen, über Sturmfluten und Kabbelungen.
Dann, als er gerade anfangen wollte, den Leuten zu sagen, wie sie sich bei einem eventuellen Stromausfall verhalten sollten, zuckte draußen ein Blitz über den Himmel, der noch heller war als alle bisherigen.
Doch er verfärbte den Himmel nicht weiß, wie Blitze das für gewöhnlich tun. Stattdessen nahm er, nur für einen kurzen Moment - so kurz, dass ich hinterher glaubte, es
geträumt zu haben -, ein tiefes Blutrot an, bevor er wieder dunkelgrau wurde.
Dann gingen alle Lichter aus.
Der Fernseher erstarb. Die Klimaanlage lief nicht mehr. Die Digitaluhren an Herd und Mikrowelle wurden schwarz. Der Kühlschrank hörte auf zu summen.
Plötzlich herrschte überall Totenstille …
Bis ein schrecklicher Donnerknall den Himmel zerriss und die Gläser im Porzellanschrank zum Klirren brachte.
Dann klingelte das Telefon.
Und ich schrie auf.
Ich verhielt mich lächerlich, keine Frage. Es war nur das Telefon. Natürlich funktionierten die Telefone auch bei einem Stromausfall noch - zumindest die nicht schnurlosen.
Trotzdem, mein Herz schien genauso laut zu scheppern wie eben die Gläser, und meine Finger zitterten, als ich die Hand ausstreckte, um nach dem Hörer zu greifen.
»Ha-hallo?«, sagte ich.
»Ellie?« Die Stimme meiner Mutter hatte einen so tröstlichen Effekt wie eine Lieblingsdecke. Sie nur zu hören, verlangsamte schon meinen Puls.
»Wir haben gerade erfahren, dass der Sturm in Anne Arundel am schlimmsten wüten soll. Ist mit dir alles in Ordnung, Schatz?«
»Das Licht ist ausgegangen«, teilte ich ihr mit und versuchte, dabei nicht so verängstigt zu klingen, wie ich mich fühlte.
»Ja«, meinte meine Mutter. »Ich vermute, dass das öfter mal passiert. Sieh im Telefonbuch nach und ruf dann das Elektrizitätswerk an, nur um sicherzugehen, dass der
ganze Bezirk betroffen ist und nicht bloß wir. Anschlie ßend rühr dich nicht vom Fleck. Daddy und ich haben unser Essen abgesagt und sind bereits auf dem Heimweg.«
»Nein, das seid ihr nicht«, widersprach ich mit gepresster Stimme. »Sie haben den Beltway gesperrt. Ein abgerissenes Stromkabel hat die Leitplanken unter Strom gesetzt.«
Ich hörte, wie meine Mutter diese Information an meinen Vater weitergab. Ich hörte meinen Dad fluchen. Dann sagte meine Mutter zu mir: »Hör zu, Schätzchen … hast du eine Taschenlampe?«
Ich griff nach der auf dem Küchentresen. Noch brauchte ich sie nicht wirklich - von draußen drang noch genug Licht herein, so dass ich sehen konnte. »Ja«, antwortete ich.
»Gut. Hol dir ein Buch zum Lesen, und wir werden so schnell wie möglich da sein.«
»Mach ich. Bis dann, Mom.«
Draußen blitzte es wieder. Ich legte auf, rannte zum Fenster und reckte dann meinen Hals, um zu sehen, ob der Himmel sich wieder blutrot verfärben würde.
Das tat er nicht. Stattdessen nahm er ein wirklich hübsches Purpurrot an.
Ich griff wieder zum Telefon. Diesmal
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