Die Todesbotin
wenn sie
erscheint, dann heißt es doch, daß Sie...« Filippa versagte die Stimme.
»Daß ich sterbe ?« Mapleton nickte. »Ja, das stimmt .«
»Mir ist das unbegreiflich .« Filippa schauderte plötzlich zusammen. »Ich meine, wenn
Sie wirklich daran glauben, warum wollen Sie dann unbedingt vorher wissen, wann
Sie sterben werden ?«
»Will ich gar nicht wissen .« Mapleton lächelte trotzig. »Will mich nur vergewissern,
daß die Erscheinung echt ist, und daß mich nicht irgendein Strolch mit seiner
Behauptung zu Tode erschrecken kann, wonach er sie angeblich gesehen hat. So
weiß ich wenigstens, ob es stimmt oder nicht. Bist du nicht auch dieser
Ansicht, Geoffrey ?«
»Unbedingt«, bestätigte Allard.
»Und angesichts dieser vielen Zeugen kannst du dir auch nicht vormachen, daß du
es dir nur eingebildet hast, wenn sie tatsächlich erscheint .«
»Das sieht dir ähnlich,
Geoffrey«, sagte Mapleton gemütlich. »Du denkst wirklich an alles .«
»Was ist denn das ?« rief Filippa plötzlich.
»Die Eiserne Jungfrau, meine
Liebe«, erläuterte Mapleton. »So getauft von einem Mann mit diabolischem
Humor.«
»Aber was macht man damit ?« bohrte Filippa weiter.
»Es ist wie ein eisernes
Korsett«, erläuterte Allard. »Mit einer eisernen Gesichtsmaske. Das Opfer wurde
hineingestellt, und dann hat man das Korsett langsam — na ja — zugedrückt .«
»Und diese vielen Dornen auf
der Innenseite...« Filippas Stimme versagte schon wieder.
»Die wurden langsam tiefer und
tiefer in den Körper des Opfers gepreßt«, ergänzte Allard beflissen. »Man
erzählt sich, daß das Blut aus den Wunden manchmal quer durchs Zimmer spritzte .«
»Ich glaube, das halte ich
nicht mehr aus«, sagte Filippa mit bebender Stimme. »Ich gehe ins Schloß zurück .«
»Und ich begleite Sie«, sagte
Boris schnell. »Sie brauchen nur einen kräftigen Schluck. Für Larry ist es
natürlich unerläßlich, daß er hierbleibt und das Milieu für sein Drehbuch
studiert. Ich selbst kann später ja die Atmosphäre aus seinem Manuskript
erfühlen .«
»Boris«, sagte ich gepreßt, »du
kannst nicht...«
»Es wird bestimmt ein
wunderbares Drehbuch«, sagte er noch hastiger. »Ich zweifle überhaupt nicht an
deinem Genie, Larry, das weißt du .«
»Hier.« Mapleton reichte ihm
die Taschenlampe. »Nehmen Sie die besser mit. Wir finden unseren Weg auch ohne
Licht zurück .«
Boris packte Filippas Arm und
führte sie aus der Folterkammer. Die hölzerne Tür knirschte wieder, und dann
verschwand der tanzende Lichtstrahl, als die beiden die Steintreppe erklommen.
Plötzlich begann ich, mich sehr einsam zu fühlen.
»Wirkt besonders auf Frauen,
müssen Sie wissen«, sagte Mapleton. »Meine ersten beiden Frauen konnten es fast
nicht aushalten, aber sie kamen. Wagten nicht, die Familientradition zu
brechen. Kann mir gar nicht denken, was mit dieser neuen los ist. Verdammt
ungezogen !«
»Vielleicht liegt es an ihrem
Zustand«, sagte Allard leichthin. »Frauen benehmen sich seltsam, wenn sie
schwanger sind .«
»Glaube nicht, daß sie schwanger
ist«, meinte Mapleton. »Wünschte natürlich, sie wär’s. Genau wie du dir das
Gegenteil wünschst.«
»Natürlich«, nickte Allard.
Wenn dies das Niveau unserer
Unterhaltung sein sollte, dann wappnete ich mich für die längste Stunde meines
Lebens. Der Gedanke daran, daß Boris sich jetzt in Filippas Gesellschaft mit
Wodka vollaufen ließ, machte mich fast verrückt.
»Aber das Licht«, sagte ich
nur, um die Stille zu unterbrechen. »Die Petroleumlampe. Verträgt sich denn
Licht mit diesem Spuk ?«
»Wenn sie erscheint, geht das
Licht aus«, sagte Mapleton seelenruhig. »Oder bevor sie erscheint. Es ist alles
dokumentarisch belegt. Die Erscheinung beginnt mit ersticktem Schluchzen, dann
gehen die Lichter aus, und dann tritt sie auf. Machen Sie sich nur keine
Sorgen, Slaker. Die Lady Christine hat alles bestens organisiert .« Er kicherte. »Aber das sollte sie auch, nach all dieser
langen Zeit. Schließlich hat sie jetzt schon mehr als sechshundert Jahre Übung !«
»Und sie hat sich noch niemals
geirrt, wenn man nach der Chronik geht«, merkte Allard an.
Danach lastete wieder längeres
Schweigen auf uns. Ich warf einen heimlichen Blick auf meine Armbanduhr und
sah, daß es erst fünfzehn Minuten nach Mitternacht war. Als ich es satt hatte,
die steinernen Gesichter von Mapleton und Allard zu mustern, studierte ich statt dessen die Folterinstrumente auf der hölzernen
Werkbank. Aber auch die
Weitere Kostenlose Bücher