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Die Todesbotin

Die Todesbotin

Titel: Die Todesbotin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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Kognak,
während Allard wartete, bis ein Onkel ihm die Whiskyflasche reichte, dann
bediente er sich.
    » Hobbs hat sie auch gesehen, weißt du«, erzählte Mapleton. »Damals mit meinem Vater.
Das war vor dreißig Jahren, noch im Krieg. Ich war damals nicht zu Hause,
sondern in Burma. Vater starb ein paar Wochen darauf. Stürzte vom Pferd und
brach sich das Genick .«
    »Die Zeichen sind nicht
unfehlbar«, meinte Allard gepreßt.
    »Mir wäre es lieber, wenn du
mich nicht trösten würdest, Geoffrey«, sagte Mapleton eisig. »Der Titel wird
dir noch früh genug gehören .«
    »Moment!« Allards Gesicht versteinerte sich. »Natürlich möchte ich gern den Titel. Es wäre
Torheit, das abzustreiten, aber auf diese Art will ich ihn nicht erlangen .«
    »Verschone mich mit deiner
Heuchelei«, sagte Mapleton. »Und mit deinen Krokodilstränen.«
    Allard stieg die Zornröte ins
Gesicht, er trank schnell sein Glas aus und verließ das Zimmer. Mapleton sah
ihm nach, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, dann füllte er sein
Glas auf.
    »Erwarten Sie Applaus ?« erkundigte ich mich.
    »Was?« Verdutzt starrte er mich
an.
    »Na ja, vielleicht hat Boris
auch nur phantasiert«, sagte ich. »Ich meine das Geschwätz über das, was man
braucht, um zu einem guten Drehbuch angeregt zu werden. Ist es nicht so ?«
    »Ich habe immer noch nicht die
geringste Ahnung, wovon Sie sprechen«, sagte Mapleton kühl.
    »Von wegen !« sagte ich. »Seit dem Augenblick meiner Ankunft werde ich hier von jedem
bearbeitet. Sie hatten Hobbs angewiesen, mir die
ganze traurige Geschichte von Lady Christine zu erzählen, und auch Allard hat pflichtbewußt seine
Rolle gespielt: den miesen Familienschurken. Was war das eigentlich für eine
Paste, die sich Désiree vorhin ins Gesicht geschmiert hat, damit es so
irisierte ?«
    Mapletons Gesicht hatte sich gerötet,
und er bekam nur mit Mühe genug Luft zum Sprechen. »Wollen Sie damit sagen, daß
Sie die Geistererscheinung heute nacht für eine
Täuschung halten ?« brüllte er schließlich.
    »Und wie ich das sagen will!«
    Er stellte sein Glas mit einem
Knall auf die Theke. »Kommen Sie mit, Slaker !«
    Ich folgte ihm aus dem
Wohnzimmer hinaus in einen Teil der Burg, den ich noch nicht gesehen hatte. Das
Mobiliar wurde immer sparsamer, bis wir schließlich in einem Zimmer standen, das
völlig leer war — bis auf einige mit Staubdecken verhüllte Möbelstücke. Auf dem
kahlen Holzfußboden hallten unsere Schritte dumpf wider; die Lampen an der
Decke waren nackte Glühbirnen.
    »Das ist der Ostflügel«,
informierte mich Mapleton. »Wir bewohnen ihn nicht mehr, es ist zu teuer, ihn
in Betrieb zu halten. Allein die Heizung für einen Winter würde ein Vermögen
kosten .« Er ging zur jenseitigen Wand des Zimmers mit
mir und blieb vor einem Bild stehen.
    »Was halten Sie davon ?« erkundigte er sich.
    Es war ein Porträt von Désiree
in einem hochgeschlossenen, wirklich altmodischen, grauen Kleid. Irgendwie
hatte der Künstler es geschafft, ihrem Gesicht einen demütigen Ausdruck zu
geben; ihr Haar war noch etwas kürzer geschnitten, als sie es jetzt trug.
    »Nicht schlecht«, meinte ich.
»Jeder, der Désiree einen Demutsblick verleihen kann, muß ein Genie sein .«
    »Es ist eine Kopie des
Originalgemäldes«, berichtete Mapleton. »Das Original entstand vor
siebenhundert Jahren. Die Kopie wurde vor zweihundert Jahren angefertigt. Im
Jahre 1778, um genau zu sein.«
    Begriffsstutzig starrte ich ihn
eine Weile an, dann fiel mir wieder ein, daß mir Hobbs von dem Gemälde im Ostflügel erzählt hatte.
    »Die Lady Christine«, murmelte
ich.
    »Christine«, nickte Mapleton.
»Das Original begann abzublättern, deshalb ließ einer meiner Ahnen es kopieren.
Der Künstler dieser Epoche war besonders unbegabt. Aber schließlich erforderte
niemand von ihm Originalität. Nur Exaktheit.«
    »Also ist Désiree der damaligen
Lady Christine wie aus dem Gesicht geschnitten«, stellte ich fest. »Und Sie
halten das für einen bloßen Zufall ?«
    »Ich hoffe von Herzen, daß es
nichts anderes ist«, sagte er langsam.
    »Dieses Bild soll mir also
beweisen, daß wir heute nacht in der Folterkammer eine
echte Geistererscheinung gesehen haben ?«
    »Es beweist überhaupt nichts,
außer daß Désiree eine unerklärliche Ähnlichkeit mit Lady Christine hat«, sagte
er kühl. »Ich dachte nur, daß Sie das Gemälde in Augenschein nehmen sollten .«
    »Und Sie glauben tatsächlich,
daß wir da unten einen echten Geist

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