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Die Todesbotin

Die Todesbotin

Titel: Die Todesbotin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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andere mehrere Jahrhunderte alt sein. Es gab einfach keine
Möglichkeit, das zu bestimmen.
    »Was haben Sie da eben von der
überstrapazierten Phantasie des Schriftstellers gesagt, Sliwitz ?« gluckste Mapleton .
    »Dann ist die Leiche eben
irgendwie verschwunden«, beharrte ich. »Ich kann nicht beweisen, daß sie hier
war. Aber daß ein Geheimgang existiert, das kann ich Ihnen zeigen .«
    Mapleton seufzte tief. »Ich
glaube an Fairneß«, sagte er, »und niemand soll mir das Gegenteil nachweisen
können. Also, wo ist dieser angebliche Geheimgang ?«
    »Unter dem Fußboden des dritten
Kerkers«, erzählte ich. »Unter der Grube.«
    Mapleton ging voran, Boris und
ich folgten ihm. Der Strahl der Taschenlampe erhellte den drei Meter unter uns
liegenden Boden der Kerkergrube, wanderte kurz herum, konzentrierte sich dann
auf seinen Mittelpunkt.
    »In meinen Augen ist das solider
Stein«, sagte Mapleton.
    »Letzte Nacht bin ich
ausgeglitten und da hinuntergestürzt«, berichtete ich. »Ich prallte mit meinem
ganzen Gewicht auf der einen Seite auf, und das brachte ihn zum Kippen .«
    »Tatsächlich?« Mapletons Ton war sehr beherrscht. »Und wahrscheinlich sind
gleichzeitig auch Schweine durch die Luft geflogen ?«
    »Zum Teufel mit Ihnen!« Ich
nahm allen Mut zusammen und machte einen Satz nach vorn. Mit einem
markerschütternden Aufprall, der mich aus dem Gleichgewicht warf, landete ich
auf dem Boden der Grube. Ich fiel der Länge nach hin, scheuerte mir Hände und
Knie auf, aber der Boden blieb, wo er war.
    »Alles in Ordnung,
Towarischtsch ?« erkundigte Boris sich nervös.
    Ich kam wieder auf die Beine,
biß die Zähne zusammen und hopste mehrere Male auf und nieder. Der Fußboden
regte sich nicht. Mit einem Anlauf sprang ich an der Wand hoch und schaffte es,
mich auf den Flur hinaufzuziehen. Als ich wieder bei den beiden anderen stand,
keuchte ich vor Anstrengung und fühlte eine mörderische Wut in mir aufsteigen.
    »Ja, also«, sagte Mapleton
langsam. »Ich nehme an, daß wir jetzt alle besser wieder ins Haus gehen .«
    »Aber ich sage Ihnen, letzte
Nacht hat er sich gedreht«, preßte ich zwischen den Zähnen hervor. »Ich habe
auch Burkes Leiche in der Eisernen Jungfrau gesehen, und von hier führt
tatsächlich ein Geheimgang ins Schloß. Moment noch.«
    »Wenn Sie jetzt auch weiße
Mäuse sehen, Slaker«, sagte Mapleton streng, »kann ich Ihnen versichern, daß
das andere Gründe hat .«
    »Die Tür zum Geheimgang von der Schloßseite aus liegt im Ostflügel«, erinnerte ich
mich triumphierend. »Sie öffnet sich gleich hinter dem Porträt der Lady
Christine .«
    »Larry?« Ich hörte, wie Boris
entsetzt Luft holte. »Glaubst du wirklich nicht, daß es nur ein Alptraum war ?«
    »Vielleicht Delirium tremens ?« überlegte Mapleton. »Aber das glaube ich nicht, Sliwitz . Er trinkt nicht so viel, wie Sie oder ich trinken .« Er seufzte schwer. »Na ja, es ist ein schöner Tag zum
Spazierengehen. Begeben wir uns also noch in den Ostflügel .«
    Wir durchquerten die
Folterkammer und erklommen schweigend die steile Steintreppe. Das Schweigen
dauerte, bis wir den Ostflügel erreichten und vor dem Porträt der Lady
Christine stehenblieben.
    »Die Mauer sieht mir zwar
durchaus solide aus«, begann Mapleton, »aber machen Sie nur, Slaker.
Überraschen Sie mich .«
    Zwei Minuten später war es
sonnenklar, daß ich hier niemanden überraschen konnte. Ich schob und stieß,
tastete nach schmalen Ritzen und Vorsprüngen, fand aber nichts. Die Wand war
genauso unbeweglich wie der Boden der Kerkergrube.
    »Na, das war ja sehr
interessant«, stellte Mapleton abschließend fest. »Sollte sich in Ihrem
Drehbuch auch sehr gut machen, Slaker. Ich nehme doch an, daß das ganze Theater
nur diesem Zweck diente ?«
    Er drehte sich auf dem Absatz
um und stolzierte aus dem Zimmer, während mir nur übrigblieb, hinter seinem
Rücken Fratzen zu schneiden.
    »Towarischtsch«, sagte Boris
nach langer Pause, »ich habe plötzlich Durst. Aber dein Verlangen nach einem
Drink muß noch größer sein .«
    Ich wollte widersprechen, dann
wurde mir klar, daß es keinen Sinn hatte. Wer hört schon einem Versager zu?
Langsam schlenderten wir durch das Schloß zurück bis zum Wohnzimmer. Boris
strebte sofort zur Bar und goß sich seine Spezialität ein: einen dreifachen
Wodka. Ich wählte Bitter Lemon, weil ich mich so früh am Morgen noch nicht
betrinken wollte.
    »Ein Alptraum«, wiederholte
Boris heiter, als er sein Glas zur Hälfte geleert hatte.

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