Die Todesbotin
.«
Vorsichtig ließ er sich auf dem
Uferrain neben mir nieder, zog ein Taschentuch heraus und wischte sich die
Stirn.
»Wollte mich einmal in Ruhe mit
Ihnen unterhalten«, erläuterte er. »Als ich sah, daß Sie das Schloß verließen,
ging ich Ihnen nach .«
»Worüber?«
Ȇber diese alberne
Spukgeschichte«, fuhr er fort. »Mapleton hat mir heute morgen beim Frühstück davon erzählt. Sie waren doch auch dabei, nicht wahr ?«
»Aber sicher«, nickte ich.
»George glaubt an diesen ganzen
Unsinn«, sagte er. »Muß es wohl tun, in seiner Situation. Diese alberne
Geschichte scheint seine Familie von Anfang an heimgesucht zu haben. Aber ich
für meinen Teil glaube nicht an Gespenster, Baker. Besonders nicht an so
praktische Gespenster wie die Lady Christine, deren jeweiliges Auftreten den kurz
bevorstehenden Tod des jeweiligen Familienoberhaupts ankündigen soll.«
»Wenn Sie mich fragen wollen,
ob der Spuk echt war«, sagte ich, »dann lautet die Antwort, daß ich es wirklich
nicht weiß .«
»Eigentlich hatte ich mir mehr von
Ihnen erhofft«, murmelte er. »Nämlich eine definitive Aussage. Von den anderen
hat nur Allard den Spuk gesehen, stimmt das ?«
»Stimmt .«
»Und der hat es sowieso auf den
Titel abgesehen«, stellte Wotherspoon mit einem Grunzen fest. »Also wäre es
nicht angebracht, seinen Worten zu glauben .«
»Sorgen Sie sich um Mapleton,
weil er Ihr Freund oder weil er Ihr Geschäftspartner ist ?«
»Aus beiden Gründen«,
antwortete er. »Ich möchte nicht, daß der alte George einem faulen Trick zum
Opfer fällt .«
»George erzählte mir, daß Sie
ihn aus dem Geschäft drängen wollen«, sagte ich kühl.
»Tatsächlich?« Wotherspoon warf
mir einen schrägen Blick zu. »Na ja, damit hat er natürlich absolut recht. Bloß
weil wir im letzten Jahr dicke Gewinne erzielt haben, hat er haarsträubende Pläne
zur Diversifikation entwickelt, die ich keineswegs billige. Ich weiß, daß Sie
aus der Filmbranche sind, aber ich muß Ihnen offen gestehen, daß ich seine
Finanzierungsmethoden des Films für verrückt halte. Wir könnten eine Menge Geld
verlieren .«
»Aber Sie könnten den Verlust
von der Steuer abschreiben«, erinnerte ich.
»Zugegeben«, grunzte er. »Das
wäre jedoch unseriös. Würde unseren Aktionären einen gewaltigen Schrecken
einjagen — es sei denn, daß wir mit Profit abschneiden, natürlich. Aber George
ist der Hauptaktionär, deshalb hatte er auf der letzten Vollversammlung das
große Wort, und so haben wir den Film am Hals, ob es uns behagt oder nicht .«
»Aber Sie sorgen sich nach wie
vor um sein Schicksal ?«
»Und wie ich das tue«, stellte
er nachdrücklich fest. »Wir arbeiten schon sehr lange zusammen. Ich habe George
immer gemocht und seinen Geschäftssinn bewundert. Das einzige, wovon er nichts
versteht, sind Frauen. Alle seine Ehen waren Katastrophen. Und diese neue ist
die schlimmste .«
»Wie kommt’s ?«
»Sie brauchen sie doch nur
anzusehen«, antwortete er. »Halb so alt wie George, und nur dieses verrückte
Filmprojekt im Kopf. Sieht sich schon als Superstar .« Wieder grunzte er verächtlich. »Bloß weil sie ein paar Nebenrollen in Filmen
gespielt hat, die alle ein kompletter Reinfall waren, hält sie sich schon für
eine zweite Greta Garbo .«
»Sie glauben also, daß jemand
George ermorden will ?« kehrte ich zum Thema zurück.
»So würde ich es nicht
formulieren«, sagte er. »Aber die Idee steckt dahinter .«
»Wer?«
»Na ja.« Er dachte nach.
»Allard hat das beste Motiv. Wenn George stirbt und keinen direkten Erben hinterläßt , dann bekommt Allard den Titel und zwei Drittel der Erbmasse. Aber ich kann auch den Verdacht nicht
unterdrücken, daß seine Frau die Hand mit im Spiel hat .«
»Désiree?«
»Lächerlicher Name!« Wieder
grunzte er. »Wahrscheinlich ihr eigener Einfall. Würde mich nicht wundern, wenn
sie in Wirklichkeit Edna oder Mary hieße .«
»Warum sollte sie George ans
Leben wollen ?« fragte ich. »Wenn er jetzt stirbt, wird
sie kein Filmstar und bekommt außerdem nur ein Drittel des Erbes .«
»Damit haben Sie natürlich
recht, Baker«, überlegte er. »Aber vergessen Sie nicht, welche Möglichkeiten
sie in Zukunft hat .«
»Zum Beispiel welche?«
»Angenommen, Allard erbt den
Titel und beschließt, nach einer angemessenen Trauerzeit die Witwe zu heiraten ?«
»Désiree?«
»Auf diese Weise käme sie
trotzdem zu ihrem Film, und die beiden könnten sich in den gesamten Besitz
teilen. Außerdem — daran
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