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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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Vater noch nicht aus dem Büro zurück sein.
    Seit dem heimlichen Diebstahl der Aktentasche war mein Schwager so misstrauisch, dass er darauf bestand, den BMW seines Vaters statt seines eigenen Autos zu benutzen, da es inzwischen mit einem Peilsender versehen worden sein könnte. Ich versuchte, mich nicht davon anstecken zu lassen, und reagierte mit leiser Hähme auf seine Bitte, mein Handy auszuschalten. Als es aber darum ging, den Alarmsender zurückzulassen, protestierte ich. Im Notfall wollte ich wenigstens Hilfe herbeirufen können. Jetzt war Adrian derjenige, der spottete: Dieser Alarmsender gebe mir lediglich ein Gefühl von Sicherheit, meinem Vater jedoch die Möglichkeit, mich überallhin zu verfolgen.
    »Das übernehmen schon meine Beschützer da draußen«, entgegnete ich. »Außerdem erfährt mein Vater ohnehin per SMS , wenn ich das Haus betrete. Die Alarmanlage ist so programmiert.«
    »Lass das Ding trotzdem hier. Mir ist es nicht geheuer. Wir verstehen beide viel zu wenig davon, um beurteilen zu können, was es alles kann.«
    Widerstrebend lenkte ich schließlich ein, hatte jedoch ein mulmiges Gefühl dabei. Und das nicht etwa deswegen, weil ich mich ohne den Alarmsender unsicher fühlte, sondern weil Adrians Vorsichtsmaßnahme nichts anderes bedeutete, als dass wir uns vor meinem eigenen Vater in Acht nehmen mussten.
    Als wir zwanzig Minuten später in dessen Arbeitszimmer standen und ich gerade auf den Schalter im Bilderrahmen drücken wollte, hielt Adrian mich zurück.
    »Was ist, wenn dein Vater auch beim Betätigen dieses Mechanismus eine SMS bekommt?«, fragte er.
    »Bekommt er nicht«, beruhigte ich ihn. »Ich war neulich schon einmal hier drin.« Ich drückte und sah dabei zu, wie das Ölgemälde zur Seite fuhr.
    Mit Carl waren es inzwischen fünf Tote – eine Zahl, die unsere Skrupel, hier herumzuschnüffeln, fast vollständig zum Schwinden gebracht hatte. Es ging nur noch um eines – herauszufinden, warum sie alle hatten sterben müssen. Sobald sich die Öffnung vor uns auftat, schnappte Adrian nach Luft. Ich folgte seinem Blick.
    »Ist sie das?«, fragte ich und starrte auf die Aktentasche, die am Boden gegen das Regal gelehnt stand.
    Er nickte, stieg über die circa dreißig Zentimeter hohe Schwelle in den kleinen Raum und bückte sich nach der Tasche seines Vaters. Während er sich in einen der Freischwinger fallen ließ und den Inhalt in Augenschein nahm, schaute ich mir den Inhalt der Regale näher an. Beim letzten Mal hatte ich nach nichts anderem als nach Amelies Todesanzeige gesucht. Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch nicht einmal etwas von einer Spezialabteilung geahnt.
    Hier und da griff ich DVD s von den Stapeln. Sie waren mit genauen Angaben über Orte, Zeiträume und Namen der überwachten Personen versehen. Ich wechselte zu einem Regal, in dem ausschließlich Ordner standen. Sie waren teilweise so vergilbt, dass sie aus Zeiten stammen mussten, in denen man von digitalen Datenträgern nur hatte träumen können.
    Ich las die Beschriftungen. Es waren allesamt Namen, mit denen ich jedoch nichts anzufangen wusste. Bis auf einen. Ich zog den Ordner heraus, auf dessen Rücken GESA geschrieben stand. Mit klopfendem Herzen schlug ich ihn auf und suchte nach Fotos. Ich blätterte vor und zurück, fand jedoch kein einziges. Dafür stieß ich auf eine Fülle eng beschriebener Blätter, die in der Kopfzeile den Schriftzug einer Nervenklinik trugen.
    Ich überflog die ersten Seiten, bis ich begriff: Es handelte sich um die Gespräche zwischen meiner leiblichen Mutter und ihrem behandelnden Arzt, einem Doktor Wendelin Radolf. An den Rand hatte er hier und da Anmerkungen mit der Hand geschrieben:
Patientin flüchtet sich in Träume. Patientin hat panische Angst vor ihrer Erinnerung. Patientin fragt ständig nach ihrem Kind. Patientin ist stark depressiv. Patientin suizidal?
    Einen dieser Sätze las ich mehrmals –
Patientin fragt ständig nach ihrem Kind.
Es war, als würde er tief in meinem Inneren eine Sehnsucht in Worte fassen. Und er wollte so gar nicht zu dem Bild passen, das mir meine Eltern von Gesa gezeichnet hatten.
    In diesen Zeilen offenbarten sich weder Verantwortungslosigkeit noch Desinteresse, sondern ausschließlich tiefe Qual und Verzweiflung. Völlig davon gefangen genommen las ich immer weiter und blieb schließlich an einem Traum hängen, von dem meine leibliche Mutter erzählt hatte. Er handelte von Tabus, die man nicht brechen dürfe. Da war es wieder, dieses Wort, von

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