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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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die Erkenntnis kam, selbst auch fast meine gesamte Familie verloren zu haben. Meine leibliche Mutter war im Feuer umgekommen, meine Schwester ermordet worden. Meine Tante hatte sich in ihre eigene Welt zurückgezogen, und mein Vater – ja, was war mit meinem Vater? Mein Bild von dem integren Geschäftsmann hatte tiefe Risse bekommen. Ich wusste nicht mehr, wer er wirklich war und was er tat, wenn er in sein Büro ging.
    Elly war zum Glück zu Hause, als ich an ihrer Tür klingelte. Sie fragte mich nichts, sondern stellte mir ganz selbstverständlich einen Teller auf den Tisch, damit ich mit ihr und Ingo zu Mittag essen konnte. Die Kabbeleien der beiden, die sich darum drehten, dass Ingo mehr Gemüse nehmen sollte, anstatt so viel Schweinebraten und Klöße zu essen, waren wie Balsam für mich. Sie entführten mich für kurze Zeit in einen Alltag, in dem weder Tod noch Trauer oder infame Lügen eine Rolle spielten.
    Als sich Ingo schließlich zu einem Nickerchen zurückzog, ging Elly mit mir in den Garten. Da die Temperaturen leicht gesunken waren, ließ es sich in der Sonne gut aushalten. Wir setzten uns in die beiden Liegestühle neben dem Rosenbeet, das einen lieblichen Duft verbreitete. Ich ließ den Kopf zurücksinken und schloss die Augen. Als gebe es in diesem Augenblick nichts Wichtigeres auf der Welt, erzählte Elly mir, wie schwierig es sei, die Läuse von den Rosen fernzuhalten.
    Ich lauschte mehr auf ihre Stimme als auf das, was sie sagte. Bis mir die Tränen übers Gesicht liefen und sie meine Hand in ihre nahm.
    »Elly?«, fragte ich, als es mir besserging. »Sind dir schon einmal Gerüchte über Machenschaften von
BGS&R
zu Ohren gekommen?«
    »Was denn für Machenschaften?«, fragte sie.
    »Das weiß ich auch nicht so genau«, gab ich offen zu.
    Elly gab ein Brummen von sich, als sie aufstand, um mit den Fingern ein paar Blattläuse zu zerdrücken, die sie an einem der Rosenstiele entdeckt hatte. »Wie kommst du dann überhaupt auf die Frage? Etwa wegen all der Todesfälle?« Für einen kurzen Moment unterbrach sie die Suche nach den winzigen grünen Tieren und sah mich an.
    »Es muss doch einen Grund für all das geben.«
    »Und wenn? Was würde das ändern? Würde dich das weniger traurig machen?« Sie schien sich meiner Antwort ganz sicher zu sein. »Siehst du!« Als sei ihr gerade eine wunderbare Idee gekommen, klatschte sie in die Hände. »Komm! Ich zeig dir mal was.« Sie lotste mich zu der Gartenbank an der Hauswand, klappte deren Sitzfläche hoch und holte eine Zeitschrift hervor. Dann gab sie mir ein Zeichen, mich neben sie zu setzen. »Hier, sieh mal«, meinte sie, als sie die Seite gefunden hatte, die sie suchte. Sie legte mir das bunte Blatt auf die Knie und deutete auf ein kleines Foto. »Das ist der Thomas Niemeyer. Wenn du mir den Namen nicht gesagt hättest, hätte ich ihn gar nicht entdeckt.« Sie beugte sich darüber, als wolle sie sich noch einmal eines gewissen Eindrucks versichern. »Er hat sich schon ziemlich verändert, obwohl er immer noch attraktiv aussieht. Aber mehr als dreißig Jahre gehen eben an keinem spurlos vorüber.«
    Ich betrachtete das Foto des Steuermanns, der – wie der Bildtext erklärte – in Begleitung seiner Frau eine Spendengala besuchte. Beide waren sehr elegant gekleidet und lächelten in die Kamera. Hätte dort nicht sein Name gestanden, hätte ich mit seinem Bild auch nichts anzufangen gewusst. Auf dem Foto des Vierers im Schlafzimmer meines Vaters war er nur von hinten zu sehen.
    »Ist immer noch ein fescher Mann, findest du nicht?« Elly sah mich von der Seite an.
    »Dein Ingo aber auch«, antwortete ich grinsend, woraufhin sie mich in die Seite stupste.
    »Trotzdem war ich ganz froh, dass ich ihn damals dann irgendwann nicht mehr zu Gesicht bekommen habe. Wegen der Flausen in meinem Kopf – wenn du weißt, was ich meine …«
    »Hast du eine Ahnung, warum der Kontakt zu meinen Eltern abgebrochen ist? Ist er eingeschlafen oder …?«
    »Nein, nein«, fiel sie mir ins Wort. »Wenn es ja nur das gewesen wäre. Es hing mit dem Mord an der jungen Frau zusammen. Cornelia Graszhoff hat mir einmal erzählt, dass sich der Thomas Niemeyer wohl sehr schwer damit getan hat, dass ihm die Mathilde so kurz vor der Heirat weggelaufen ist und sich ein paar Tage später mit dem Tobias Rech verlobt hat. Als sie dann umgebracht wurde, hat der ihn verdächtigt, sich an ihr gerächt zu haben. Was natürlich Unsinn war. Aber der Thomas Niemeyer hatte kein Alibi und

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