Die Todesbotschaft
Umständen werden Behörden eingeschaltet. Fängst du erst einmal an, eine Ausnahme zu machen, Adrian, wird das gesamte System aufgeweicht. Dann kommt morgen eine Mitarbeiterin und stößt sich an sexistischem Verhalten eines Kunden. Dem Nächsten gefällt es nicht, wenn Abermillionen von Steuern hinterzogen werden. Jeder hat seinen eigenen kleinen moralischen See, den er nicht getrübt sehen will. Also musst du dem Ganzen einen Riegel vorschieben, und zwar ausnahmslos.
Nach Sichtung des Materials ist Tobias zum Schein auf Hartwig Brandts Vorschlag eingegangen. Er hat ihn damit beauftragt, in dem Ferienhaus nach weiteren DVDs ähnlichen Inhalts zu suchen. Als Grund hat er angegeben, er wolle erst ganz sichergehen, dass es sich tatsächlich um einen von dem Stammkunden selbstproduzierten Film und nicht um einen gekauften handelte. Was Hartwig Brandt nicht wusste: Tobias verfolgte lediglich eigene Interessen.
Hartwig Brandt habe die beiden Mitarbeiterrinnen ein paar Tage später noch einmal losgeschickt, um dem Ferienhaus des Stammkunden einen weiteren Besuch abzustatten. Dieses Mal ausgerüstet mit einem Kuchen für die Zugehfrau als Dankeschön für die Beteiligung an der Welpen-Suchaktion. Die Auslese dieser Aktion seien sechs weitere DVD s fast identischen Inhalts gewesen – wechselnde Frauen, die immer demselben Mörder zum Opfer fielen.
Die Rekonstruktion der Ereignisse hat ergeben, dass der Stammkunde von den Diebstählen Wind bekommen haben muss. Wie, kann ich dir nicht sagen. Wir haben jedoch vermutet, dass der Raum, in dem die DVDs im Regal lagerten, von einer versteckten Kamera überwacht wurde. Nach dem ersten Diebstahl muss der Kunde sein Überwachungsaufgebot aufgestockt haben. Denn unsere beiden Mitarbeiterinnen haben sich sofort nach ihrem zweiten Besuch in dem Haus mit Hartwig Brandt in Verbindung gesetzt. Sie hatten den Verdacht, verfolgt zu werden, und wollten auf Nummer sicher gehen. Also verursachten sie an einer Stelle, die sie zuvor mit Hartwig Brandt verabredet hatten, einen leichten Auffahrunfall mit ihm und übergaben ihm während des vorgetäuschten Streits die DVDs. Schließlich parkten sie ihren Wagen am Straßenrand und machten sich zu Fuß aus dem Staub.
Von unterwegs meldete Hartwig Brandt sich bei Tobias und teilte ihm mit, dass das Täuschungsmanöver nicht gefruchtet habe. Wer immer sich ihm an die Fersen geheftet habe, sei ein absoluter Profi. Er werde deshalb versuchen, die DVDs vom nächsten Postamt aus an Tobias zu schicken. Den Umschlag hat Tobias zwei Tage später tatsächlich erhalten, aber von Hartwig Brandt fehlt seitdem jede Spur.
Kurz darauf erhielt ich eine Todesanzeige, die Huberts Tod ankündigte. Als letzter Satz stand ganz unten, anstelle von zugedachten Blumen und Kränzen sei das Diebesgut an den rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben. Ich habe das Ganze tatsächlich für einen schlechten Scherz gehalten. Bis deine Mutter und dein Bruder bei diesem Unfall ums Leben kamen.
Als dann auch Kerstins Tod eine Ankündigung vorausging, rückte Tobias endlich mit der Sprache heraus. Er berichtete uns von der Sache mit den DVDs, von Hartwig Brandts Verschwinden und sprach die Vermutung aus, unser Mitarbeiter könne kassiert und enttarnt worden sein. Keinen Moment lang bezweifelte er die Zuverlässigkeit dieses Mannes. Sein Verschwinden könne also nur bedeuten, dass er nicht mehr am Leben sei, dass man ihm vor seinem Tod jedoch Informationen über seinen Auftraggeber abgerungen habe.
Ich ließ die Blätter sinken und versuchte, meine Schultern zu lockern. »Wie bringst du einen hartgesottenen Mitarbeiter dieser Schmutzabteilung zum Reden?«, fragte ich Adrian. »Durch Folter?« Mein gesamter Körper schien von einer Gänsehaut überzogen zu sein. Was ich da Zeile um Zeile las, schien einem Alptraum zu entstammen, aber nicht dem Umfeld, in dem ich aufgewachsen war.
Adrian saß stumm da, hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt und das Gesicht in den Händen verborgen. Ich wusste nicht, ob er mir überhaupt zugehört hatte.
»Das heißt, dem Absender der Todesanzeigen ging es einzig und allein um die DVD s, oder?«, fragte ich leise.
Adrian nickte. »Nach Kerstins Tod hat Tobias sie diesem Stammkunden geschickt. Vorher hat er allerdings Kopien gemacht. Ich nehme an, dass sich eine davon in dem Umschlag befand, den wir bei deinem Vater gefunden haben.«
Einen Moment lang hatte ich das Gefühl, mir würde der Boden unter den Füßen weggezogen. »Aber warum hat der
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