Die Todesbotschaft
Auftraggeber habe seinen Konkurrenten bei der Übernahme eines Unternehmens überbieten und damit aus dem Feld schlagen wollen. Routine, wie Carl ein weiteres Mal betonte. Innerhalb kürzester Zeit seien die Informationen geliefert und bezahlt worden. Gleichzeitig hätte Hartwig Brandt, der zuständige Mitarbeiter, damit begonnen, das Dossier des Stammkunden auf den neuesten Stand zu bringen.
Auch das ist eine Maxime
, schrieb Carl.
Sich nie begnügen, nie in Sicherheit wiegen, selbst bei Stammkunden nicht oder Leuten, die einem persönlich bekannt sind. Immerhin könnte über deren bislang dokumentierte Verfehlungen inzwischen so viel Gras gewachsen sein, dass sich damit im Notfall kein Druck mehr erzeugen ließe. Inhaltlich interessieren wir uns übrigens für die Dossiers über unsere Auftraggeber nur dann, wenn sie selbst einmal zum Zielobjekt eines anderen Kunden werden. Solch ein Auftrag ist richtig lukrativ, wie du dir vorstellen kannst. Immerhin wurde die notwendige und meist sehr aufwendige Arbeit bereits geleistet. Aber das nur am Rande.
Zurück zum eigentlichen Thema: Das Material, das wir über unseren Stammkunden gesammelt hatten, war zuletzt vor zwei Jahren aktualisiert worden. Es enthielt jede Menge Informationen über Korruption und Erpressung. Der Mann, um den es hier geht, mischt seit Jahrzehnten erfolgreich an der Spitze der Wirtschaft mit, seine Firmensitze sind ebenso gut gesichert wie seine privaten Domizile. Ihn auszuspionieren, ist schon eine beachtliche Herausforderung. Und der sollten sich unter anderem zwei vielversprechende Kolleginnen von Hartwig Brandt stellen, die kurz vor dem Abschluss ihrer internen Ausbildung standen und denen noch die praktische Prüfung fehlte. Die Aufgabe lautete: Besorgt etwas Verwertbares über die Zielperson, in diesem Fall den Stammkunden.
Die jungen Mitarbeiterinnen sollten in eines der Ferienhäuser des Mannes eindringen, das genau wie sein Hauptdomizil bis zum Schornstein gesichert ist. In solche Häuser gelangst du nur unter einem Vorwand und mit Ablenkungsmanövern. Dazu muss nur ein einziger Mensch dort arbeiten. Das ist der menschliche Faktor, der jede noch so taugliche Alarmanlage überlistet. In diesem Fall begegnete er unseren Leuten in Gestalt der Zugehfrau, die während der Abwesenheit ihres Arbeitgebers einmal in der Woche nach dem Rechten sieht, jedes Mal ausgiebig lüftet und die Blumen gießt. Also hat eine der Mitarbeiterinnen geklingelt, völlig aufgelöst behauptet, sie sei ein paar Häuser weiter bei Familie Soundso zu Besuch, und ihr Hund sei ihr durch die Gärten entwischt. Es sei ein Malteserwelpe, er sei noch so klein, dass ihn kein Zaun aufhalten könne. Möglicherweise habe er sich erschreckt und sitze jetzt voller Angst irgendwo im Gebüsch. Ob sie nicht einmal gemeinsam im Garten nachsehen könnten … Du kannst dir vorstellen, wie einfach es schließlich für die zweite Mitarbeiterin war, durch eines der geöffneten Fenster ins Haus einzusteigen.
Wir stellen sehr hohe Ansprüche an die Ausbildung unserer Mitarbeiter, wie du weißt. Und das gilt erst recht für die Leute, die in Tobias’ Abteilung aufgenommen werden. Da sie in einer sehr viel härteren, vor allem gefährlicheren Liga spielen, unterliegen sie ganz besonderen Auswahlkriterien. Sie sind absolute Profis, stressresistent, über jeden Zweifel erhaben, und vor allem haben sie ihre wunden Punkte im Griff. So jemand darf nicht schwach werden, sonst könnte er unser gesamtes Gerüst ins Wanken bringen. Die Leute werden nach außen hin wie alle anderen Mitarbeiter von
BGS&R
bezahlt, bekommen allerdings beträchtliche Boni, die auf Schweizer Nummernkonten eingezahlt werden und ihnen nach Ausscheiden aus der Detektei übereignet werden. So ein Vertrag läuft in der Regel über zehn Jahre. Wenn die Leute uns verlassen und gelernt haben, vernünftig zu wirtschaften, sind sie bis an ihr Lebensende saniert. Aber ich schweife ab.
Während der Hausherr an seinem Hauptwohnsitz im Kreise von Ehefrau und riesigem Freundeskreis seinen siebzigsten Geburtstag gefeiert habe, habe die junge Mitarbeiterin sein Ferienhaus nach verwertbarem Material abgegrast. Dabei habe sie sich vorrangig auf Verstecke konzentriert, die nicht als solche ins Auge gefallen seien, wie zum Beispiel eine DVD -Sammlung, die offen im Regal stand. Immerhin gebe es Männer, die ihre kleinen schmutzigen Geheimnisse auf Datenträgern vermeintlich langweiligen Inhalts abspeicherten. Inhalte wohlgemerkt, für die
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