Die Todesbotschaft
abgenommen worden, er hat keinerlei Beweise mehr in Händen. Aber ich müsste nur diese Tasche in dem Ledergeschäft abholen. Außerdem habe ich eine Ahnung, wo die beiden DVD s gelandet sein könnten, die Hartwig Brandt nicht an Tobias geschickt hat. Ich habe mir überlegt, dass er sie vielleicht an sich selbst geschickt haben könnte, um etwas in der Hand zu haben, falls Tobias von einer Anzeige absehen sollte. Als wir Hartwig Brandts Nachbarin nach ihm ausgefragt haben, hat sie uns den Poststapel gezeigt, den sie für ihn aufbewahrt.« Ich biss von dem zweiten Sandwich ab und kaute auf dem Schinken herum, während Eva-Maria dem Treiben auf dem Ku’damm zusah.
»Weißt du was?«, meinte sie nach einer Weile. »Ich finde, das eilt alles überhaupt nicht. Dein Vater und dieser Tobias werden dich von jetzt an in Ruhe lassen, weil sie überzeugt sind, euch alle Beweise abgejagt zu haben. Und deine Entscheidung solltest du auf keinen Fall übers Knie brechen, immerhin wirst du sehr lange mit den Konsequenzen leben müssen. Also nimm dir Zeit dafür. Allerdings fände ich es besser, du würdest die Tasche abholen und die Kopien bei dir aufbewahren.«
»Findest du nicht, sie sind in dem Geschäft sicherer aufgehoben?«
»Du weißt nicht, wann du sie brauchst. Und willst du dann etwa an Geschäftszeiten gebunden sein? Noch einmal werden die sich deine Wohnung nicht vornehmen.«
Ich dachte darüber nach. »Dann mache ich es jetzt gleich, bevor ich es mir anders überlege. Kommst du mit?«
Eva-Maria nickte, stellte unser Geschirr auf das Tablett und brachte es ins Café. Währenddessen beugte ich mich zu dem Berner Sennenhund und streichelte ihn, woraufhin er sich sofort wohlig auf den Rücken rollte. Was die, die Adrians und meine Wohnung ohne sichtbare Spuren betreten und wieder verlassen hatten, wohl getan hätten, wenn in einer unserer Wohnungen ein Hund gewacht hätte?
»Er ist ein Kampfschmuser. Ich glaube, er würde sich selbst von Einbrechern ausgiebig kraulen lassen«, sagte die Besitzerin, als könne sie meine Gedanken lesen. Mit einem Lächeln streckte sie die Hand nach dem Hund aus und fuhr ihm liebevoll durchs Fell. »Aber das ist auch gut so, vielleicht rettet ihm das einmal das Leben.«
Ich erwiderte ihr Lächeln, stand auf und gesellte mich zu Eva-Maria, die auf dem Bürgersteig auf mich wartete. Gemeinsam gingen wir die paar Schritte bis zu dem Ledergeschäft. Wir hatten den Laden kaum betreten, als die Verkäuferin schon auf mich zukam und mich begrüßte. Gleich darauf ging sie zur Kassentheke und holte das Geschenkpaket darunter hervor.
»Das ist aber nicht Ihre Mutter«, meinte sie mit einem irritierten Blick zu Eva-Maria.
»Nein«, winkte ich lachend ab. »Meine Mutter konnte nicht mitkommen, sie ist krank. Ich werde ihr die Tasche vorbeibringen.« Das Geschenkpaket unter dem Arm verließ ich mit Eva-Maria das Geschäft.
*
Die Bürde, ihren Vater angezeigt zu haben, würde Finja erdrücken. Noch schlimmer würde das Schuldgefühl auf ihr lasten, nicht dafür gesorgt zu haben, dass Thomas Niemeyer für immer hinter Gittern verschwand. Eva-Maria war nicht in dieser Zwickmühle gefangen. Sie konnte handeln, ohne sich eines Tages dafür zu hassen. Und sie würde die Genugtuung haben, dass Alexander nicht ungestraft davonkam.
Am Sonntagabend würde Finja nach München fliegen, um an der Beerdigung von Johannes Schormann am Tegernsee teilzunehmen. Finja wollte in München übernachten und ihren Aufenthalt nutzen, um Hartwig Brandts Nachbarin gleich am Morgen einen zweiten Besuch abzustatten. Sollten sich in dem Poststapel tatsächlich die beiden DVD s finden, wollte Finja sie stehlen und an sich selbst adressieren.
Eva-Marias Plan war einfach, setzte aber ein Timing voraus, das sich nicht exakt planen ließ. Sie konnte nur hoffen, dass alles so kam, wie sie es sich ausgerechnet hatte. Kurz vor Finjas Rückkehr nach Berlin würde sie ihrer Wohnung ganz offiziell einen Besuch abstatten, um die Blumen zu gießen.
Carls Bericht und die Auflistung der Auftraggeber von BGS&R würde sie aus der Ledertasche nehmen und sie zweimal kopieren. Sollte Finja bei Hartwig Brandts Nachbarin tatsächlich fündig werden, würde sie den Umschlag aus dem Briefkasten holen und die DVD s gegen unbespielte austauschen. Hartwig Brandts Kopien hingegen würde sie mit beschrifteten Aufklebern versehen, aus denen hervorging, dass Thomas H. Niemeyer als Mörder auf den Mitschnitten zu sehen war – selbstverständlich
Weitere Kostenlose Bücher