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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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Erinnerung. Es dauerte nicht lange, bis Richard Stahmer neben mir auftauchte. Einen Augenblick lang gewann die Angst wieder die Oberhand. Das wenige, das ich von ihm wusste, reichte nicht, um mich in Sicherheit zu wiegen.
    »Und was muss ich tun, damit Sie mich Richard nennen?«, nahm er den Faden wieder auf.
    Ich war kurz davor, von einem unvorstellbaren Schmerz gepackt zu werden. Die Tränen schienen hinter meinen Augen zu lauern. Als bräuchte es nicht mehr viel, und sie würden ausgespuckt wie Lava aus einem Vulkan. Konnte man vertränen, so wie man verblutete?
    Er trat hinter mich und legte die Arme um mich. Aber ich ertrug keine Nähe. Nicht jetzt. Ich fuhr in seinen Armen herum, zog ihn wortlos mit mir in den Schatten eines Bootshauses, drückte ihn hinunter in den Kies und kniete mich über ihn. Die Steinchen bohrten sich durch die Leggings in meine Knie. Ich fingerte an dem Gürtel seiner Hose herum, während er seine Hände unter mein Kleid schob. Dabei schienen wir völlig unterschiedliche Vorstellungen von Geschwindigkeit zu haben. Mir konnte es nicht schnell genug gehen, er hingegen versuchte, das Ganze zu entschleunigen. Als er etwas sagen wollte, legte ich ihm die Hand auf den Mund. Ich wollte nicht reden, sondern nur etwas spüren, das es mit diesem unfassbaren Schmerz aufnehmen konnte. Nur um schließlich festzustellen, dass schneller Sex nichts dagegen auszurichten vermochte – dass nichts diesen Schmerz auslöschen konnte, nicht einmal für ein paar Minuten. Atemlos löste ich mich von ihm, setzte mich auf und kehrte ihm den Rücken zu.
    »Ich weiß, ich soll keine Fragen stellen«, hörte ich seine Stimme hinter mir. »Trotzdem würde ich gerne wissen, was dich veranlasst zu glauben, ich sei dein Feind.«
    Ich zog meine Leggings hoch und das Kleid darüber. Ohne mich noch einmal umzudrehen, stand ich auf und lief davon. Meine Schritte wurden immer schneller, bis ich rannte. Als ich vor meinem Elternhaus ankam, gab ich mit zitternden Fingern den Code ein und verfluchte diese verdammten Bewegungsmelder, die mich bis in den Garten verfolgten und dort jeden Winkel ausleuchteten. Ich verkroch mich hinter einem Rhododendron und grub mich wie ein Tier in die Erde. Es dauerte nicht lange, bis die Tränen kamen.
     
    Nachdem ich die halbe Nacht im Garten verbracht hatte, stellte ich mich gegen vier Uhr am Morgen unter die Dusche und ließ Unmengen heißes Wasser über mich laufen. Schließlich zog ich Schlafanzughose und T-Shirt an und legte mich auf mein Bett. Ich war hundemüde, konnte jedoch nicht einschlafen. Als wäre mir die Fähigkeit dazu abhandengekommen. Sobald ich die Augen schloss, wurde ich überschwemmt von Gedankenfetzen. Ich stand wieder auf und schaltete das Licht ein. Vielleicht gab es etwas, das in meinem Kopf wenigstens vorübergehend für Ruhe sorgen würde. Ich öffnete die Tür der kleinen Abseite und suchte das halbhohe Regal, in dem sich noch meine Jugendbücher stapelten, nach einer dunkelgrünen Schachtel ab. Ich fand sie ganz links, öffnete sie und betrachtete erleichtert die bunten Kreidestücke. Dann begann ich, die Wand hinter meinem Bett zu bemalen. Das Bild, das dort entstand, zeigte einen großen See, an dessen Ufer eine Kiste stand. Darin waren mein Schmerz und meine Trauer verwahrt. Der Schlüssel zu dieser Kiste schwamm auf der Wasseroberfläche. Wie ein Gewächs, das ohne Wasser verdorrte. Kaum hatte ich die Kreide zurück in den Kasten gelegt, fiel ich in einen todesähnlichen Schlaf, aus dem ich erst gegen Mittag erwachte.
    Mein Vater sei im Büro, richtete mir Helga Reichelt aus, die ihre Arbeit wieder aufgenommen hatte. Alles, was sie über Amelie sagte, war lieb gemeint, für mich in dem Moment jedoch zu viel. Nachdem ich einen Kaffee getrunken hatte, verließ ich fluchtartig das Haus und stieg in mein Auto, nicht ohne mich vorher suchend nach meinen Beschützern umzusehen. Der silberne Golf parkte nur wenige Meter entfernt. Die Männer winkten mir zu.
    Auf dem Weg nach Osterwarngau zu Elly meldete mein Handy eine SMS , die ich an der nächsten Ampel las. Richard schrieb:
Ich bin noch bis heute Nachmittag in München. Hast du Lust auf einen Kaffee?
Ohne lange darüber nachzudenken, simste ich zurück:
Wir sehen uns in Berlin.
    Kurze Zeit später parkte ich vor Ellys Haus und lief auf der Suche nach ihr in den Garten. Die durchgehende Wolkendecke färbte zwar auch an diesem Tag den Himmel grau und hatte das Thermometer um ein paar Grad fallen lassen, aber nichts

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