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Die Todesgruft von Bally Moran

Die Todesgruft von Bally Moran

Titel: Die Todesgruft von Bally Moran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Nuelle
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vorzuschieben. Sie mußte sich nur noch überlegen, was sie Jesse sagen sollte, wenn diese morgen früh feststellte, daß sie eingeschlossen war. Besser war jedoch, den Wecker so früh zu stellen, daß sie die Tür aufschließen konnte, bevor Jesse aufwachte. Und vorläufig wollte sie Jesse auch nichts von ihren merkwürdigen Erlebnissen erzählen. Froh, einen Entschluß gefaßt zu haben, stellte Peggy den Wecker auf sechs, drehte sich auf die Seite und war im Nu fest eingeschlafen. Morgensonne schien durch die schmalen Fenster, als der Wecker klingelte. Peggy huschte rasch zu den Türen, schloß sie auf und kuschelte sich wieder ins Bett, um noch ein paar Stunden länger zu schlafen.
    Kurz nach zehn trug sie ein Klapptischchen in Jesses Zimmer, auf dem sie ein appetitliches Frühstück gerichtet hatte.
    Der Streit vom vorigen Abend war beigelegt. Jesse hatte sich bei Peggy für ihr gereiztes Benehmen entschuldigt, und Peggy hatte zugegeben, daß sie wohl ein bißchen zu weit gegangen war. Danach hatten sie jede weitere Diskussion über Jesses Gesundheit vorsichtshalber vermieden, bis Jesse auf einmal von selbst anfing: »Was ich dir erzählt habe, Peg, ist allerdings wahr, und es wird bestimmt nicht leicht sein, einen ganzen Monat hier auszuhalten. Aber nachdem ich heute nacht so gut geschlafen habe, denke ich, ich kann es durchstehen.«
    Peggy betrachtete sie aufmerksam und fand, daß sie seit Monaten nicht mehr so vernünftig gewirkt hatte wie in diesem Moment.
    »Und ich muß zugeben, daß du eigentlich doch recht hast«,
    gestand Peggy, »das Schloß ist ziemlich bedrückend.«
    »Hast du das nun auch gemerkt?« Die Frage war keineswegs beiläufig gestellt. Jesses Augen waren zu schmalen Schlitzen zusammengezogen, und man sah die Spannung, mit der sie auf Antwort wartete.
    Peggy konnte sich nicht entschließen, von ihren eigenen Erlebnissen zu erzählen. »Das ganze Haus ist so düster«, erwiderte sie deshalb. »Sieh mal«, sie deutete zu den Fenstern, »draußen ist der herrlichste Sonnenschein, und hier drinnen ist es dämmrig wie in einer Gruft. Dieser Raum geht ja noch durch die lustige Tapete, aber alles andere ... «
    »Gestern hast du noch ganz anders geredet.«
    »Da war ich auch noch nicht so viele Stunden in diesem Kasten eingesperrt gewesen. Das heißt natürlich nicht, daß ich das Schloß nun plötzlich abscheulich finde. Es fasziniert mich nach wie vor. Warte, ich will dir etwas Komisches zeigen.«
    Peggy eilte hinaus und holte die Bibel. Sie hatte eigentlich nicht die Absicht gehabt, Jesse von ihrer Entdeckung bei den Eintragungen zu erzählen, denn es interessierte sie vermutlich gar nicht. Aber es war ein willkommener Grund, das Thema zu wechseln und Jesses unbequemen Fragen auszuweichen.
    »Ich habe mir gestern abend die handgeschriebenen Seiten angesehen«, sagte sie, als sie zurückkam, und legte das aufgeschlagene Buch vor Jesse aufs Bett. »Was da alles steht, ist höchst interessant, aber ich bin doch ein bißchen enttäuscht. Alle sagen doch, daß deine Familie noch bis vor knapp zweihundert Jahren in diesem Schloß gelebt hat. Aber sieh mal, wann die Eintragungen in der Bibel aufhören...« Sie legte einen Finger unter die Jahreszahl 1741.
    Jesse studierte gehorsam die Eintragung. »Das kann man kaum mehr lesen. Es handelt sich um eine Hochzeit, nicht?«
    »Ja. Und danach ist keine Geburt mehr eingeschrieben und auch keine weitere Heirat. Ist das nicht komisch?«
    Jesse zuckte die Achseln. »Warum? Sie haben vielleicht eine neue Bibel gekauft. Oder die Nachfolgenden hatten keine Lust mehr, die Daten für die Nachwelt festzuhalten.«
    »Die Sterbedaten haben sie aber noch eingetragen. Hier: gestorben 1743 – gestorben 1744 – gestorben 1751.« Sie deutete noch auf weitere Sterbedaten, die jeweils neben den Geburtsdaten eingetragen waren.
    Beider Köpfe beugten sich über die alte Bibel, bis Jesse sich schließlich streckte und sich mit spöttischem Grinsen an die Rückwand des Bettes lehnte.
    Peggy beobachtete sie erstaunt. »Was hast du? Warum grinst du so?«
    »Das fragst du auch noch? Eigentlich sollte ich beleidigt sein, daß du mich für so dumm gehalten hast. Wenn du mich von meinen Problemen ablenken willst, mußt du dir schon etwas Gescheiteres ausdenken.«
    »Ich weiß überhaupt nicht, wovon du sprichst.«
    »Na hör mal, ich sehe doch genau wie du, warum du keine Geburts- oder Heiratseintragungen mehr gefunden hast.« Als Peggy sie jedoch weiter verständnislos anstarrte,

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