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Die Todesliste

Die Todesliste

Titel: Die Todesliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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beeindruckt.
    Das war der Sinn der Sache. Im Dienst bei TOSA trug der Spürhund kaum jemals Uniform, denn sie erregte Aufmerksamkeit, und in seiner neuen Umgebung war Aufmerksamkeit etwas, das er unter allen Umständen vermied. Mr. Jimmy Kendrick war jedoch Hausmeister an einer Schule in der Nähe. Er beaufsichtigte die Zentralheizungsanlage und fegte die Korridore. An Marine Colonels vor seiner Haustür war er nicht gewöhnt, und er hatte großen Respekt.
    »Mr. Kendrick?«
    »Ja.«
    »Colonel Jackson. Ist Roger zu Hause?« James Jackson war ein Deckname, den der Spürhund häufig benutzte.
    Natürlich war Roger zu Hause. Er ging niemals weg. Jimmy Kendricks einziger Sohn war eine traurige Enttäuschung für ihn. Der Junge litt an akuter Agoraphobie und hatte schreckliche Angst davor, die vertraute Umgebung seines Dachbodenverstecks und die Gesellschaft seiner Mutter zu verlassen.
    »Ja, er ist oben.«
    »Kann ich ihn sprechen? Bitte?«
    Kendrick führte den uniformierten Marine nach oben. Das Haus war nicht groß – zwei Zimmer unten, zwei oben, und eine Aluminiumleiter, die auf den Dachboden führte. Der Vater rief in die Leere hinauf.
    »Roger, Besuch für dich. Komm herunter.«
    Nach einigem Scharren erschien ein Gesicht in der Öffnung über der Leiter. Es war blass wie das eines an Zwielicht gewöhnten Nachtgeschöpfs, jung, verletzlich, ängstlich. Achtzehn oder neunzehn Jahre alt, nervös, mit ausweichendem Blick. Anscheinend hielt er den Blick nur auf den Teppichläufer zwischen den beiden Männern unter ihm gerichtet.
    »Hallo, Roger. Ich bin Jamie Jackson. Ich brauche einen Rat von dir. Können wir uns unterhalten?«
    Der Junge dachte über dieses Ersuchen ernsthaft nach. Er schien nicht neugierig zu sein, aber er akzeptierte den fremden Besucher und seine Bitte.
    »Okay«, sagte er. »Wollen Sie heraufkommen?«
    »Da oben ist kein Platz«, sagte sein Vater aus dem Mundwinkel und fuhr dann lauter fort: »Komm herunter, Junge.« Er sah den Spürhund an. »Sprechen Sie in seinem Zimmer mit ihm. Ins Wohnzimmer kommt er nicht gern, wenn seine Mom nicht da ist. Sie arbeitet im Supermarkt an der Kasse.«
    Roger Kendrick kam die Leiter herunter und ging mit dem Spürhund in sein Zimmer. Er setzte sich auf die Bettkante und starrte zu Boden. Der Spürhund nahm auf einem Stuhl Platz. Abgesehen von einem kleinen Schrank und einer Kommode war dies das gesamte Mobiliar. Sein eigentliches Leben führte der Junge oben unter dem Dach. Der Spürhund warf dem Vater einen Blick zu, und dieser zuckte die Achseln.
    »Asperger-Syndrom«, sagte er hilflos. Offenbar konnte er mit diesem Zustand nichts anfangen. Andere Männer hatten Söhne, die mit Mädchen ausgehen und eine Lehre als Autoschlosser machen konnten. Der Spürhund nickte. Die Bedeutung war klar.
    »Betty kommt jeden Augenblick«, sagte Mr. Kendrick. »Sie wird uns Kaffee machen.« Dann verschwand er.
    Der Mann aus Fort Meade hatte das Wort »eigenartig« benutzt, allerdings ohne konkreter zu werden. Bevor der Spürhund hergekommen war, hatte er sich über das Asperger-Syndrom und über Agoraphobie, die Angst vor freien Flächen, informiert.
    Wie das Downsyndrom und spastische Lähmungen konnten auch diese beiden Erkrankungen in leichter und in schwerer Form auftreten. Nachdem er mit Roger Kendrick ein paar Minuten lang über allgemeine Dinge gesprochen hatte, war jedoch klar, dass es keinen Grund gab, ihn wie ein Kind zu behandeln oder in Babysprache mit ihm zu verhandeln.
    Der junge Mann empfand extreme Schüchternheit im direkten Umgang, und die Angst vor der Welt außerhalb seines Elternhauses verstärkte sie noch. Aber der Spürhund vermutete, wenn er das Gespräch in die Komfortzone des Teenagers zurücksteuerte – in den Cyberspace –, dann würde er dort eine ganz andere Persönlichkeit vorfinden. Und er hatte recht.
    Er erinnerte sich an den Fall des britischen Cyberhackers Gary McKinnon. Als die amerikanische Regierung ihn vor Gericht stellen wollte, erklärte London, er sei zu schwach zum Reisen und erst recht für das Gefängnis. Und doch war er ins Allerheiligste der NASA und des Pentagons eingedrungen und dabei durch ein paar der kompliziertesten Firewalls geglitten wie ein Messer durch Butter.
    »Roger, da draußen gibt es einen Mann, der sich im Cyberspace versteckt. Er hasst unser Land, und man nennt ihn den Prediger. Er predigt online, in englischer Sprache. Er fordert die Menschen auf, sich zu seiner Denkweise zu bekehren und Amerikaner zu

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