Die Todesspirale
sicher noch irgendwo rum, Mutsch bringt es nicht übers Herz, sie wegzuwerfen. Zum Glück war sie klug genug, mir von Anfang an ordentliche Schlittschuhe zu kaufen.
Ihre Kinderfotos sind lachhaft. Eine selbst gemachte Eisbahn auf dem Hof, ein pummeliges Mädchen mit weißer Pelzmütze, das eine missratene Waage vorführt. Es ist nicht ihr Verdienst, dass ich ihre Träume verwirkliche. Okay, sie hat mich mit dem Eis bekannt gemacht, aber dass das Eis mich akzeptiert, ist nicht ihr Verdienst, sondern ganz allein meins.
Für Sami ist die Eisbahn ein Schlachtfeld. Das Eis ist ihm nicht wichtig, er sieht nur Schläger und Pucks. Aber weil er nichts vom Eis versteht, wird er nie so gut sein wie Teemu Selänne. Und er wird nie begreifen, warum.
Die einzige Beziehung, die Paps zum Eis haben könnte, wäre als Fahrer einer Spritzmaschine. Und selbst dann würde er das Eis garantiert zu klumpig und grob machen.
Plötzlich merkte ich, dass ich mich von Nooras Tagebuch hatte fesseln lassen, dabei wollte ich eigentlich im «Tommy’s Gym» anrufen, da in der Wohnung GrigorievaLiikanen niemand abgenommen hatte. Ich griff nach dem Hörer, als Pihko zur Tür hereinschaute.
«Ich habe Teräsvuoris Alibi jetzt doppelt und dreifach ge-checkt.» Pihko wirkte verkrampft und äußerst frustriert.
«Und?»
«Also, er hat das ‹Fishmaid› an dem Abend definitiv nicht verlassen! Da war so ein Studentinnenchor von der Technischen Hochschule, die haben Polterabend gefeiert und gleich um sechs mit Karaoke angefangen. Das hatte ich schon bei der ersten Runde erfahren, aber nicht so genau wie jetzt. Sonst ist es in dem Lokal mittwochs ruhiger, aber an dem Abend war Hochbetrieb. Ich habe mit fast allen Frauen von diesem Chor gesprochen, Dominaklub oder so ähnlich …»
«Dominante.»
«Gegen neun kam der Chorleiter dazu, und die künftige Braut musste den richtigen Umgang mit dem Ehemann üben, indem sie den Chorleiter mit allen kitschigen Liebes-liedern traktierte, die auf der Liste standen. Teräsvuori war total genervt, aber von einer halben Minute Pinkelpause abgesehen, hat er die Bühne nicht verlassen. Jedenfalls behaupten das rund dreißig THStudentinnen.»
«Danke, Pihko. Dass ich dich gebeten habe, noch einmal nachzufragen, war nicht als Kritik gemeint», sagte ich, doch bei den letzten Worten war die Tür bereits ins Schloss gefallen. Pihko hatte den Auftrag tatsächlich krumm genommen.
Mist! Vielleicht hatte die enge Zusammenarbeit mit Ström auch meine sozialen Fähigkeiten verkümmern lassen. In den nächsten Tagen würde Pihko seinen Sommerurlaub antreten und danach wollte er voll ins Jurastudium einsteigen. Zu blöd, wenn er mit bitteren Erinnerungen wegging.
Vesku Teräsvuori kam als Täter also definitiv nicht in Frage.
Dass er einen anderen, Tomi Liikanen zum Beispiel, ange-heuert hatte, auf Noora loszugehen, schien mir weit herge-holt, musste aber überprüft werden. Höchste Zeit, Liikanen zum Reden zu bringen, ich wollte wieder nach dem Hörer greifen, da klingelte das Telefon. Koivus aufgeregte Stimme drang an mein Ohr.
«Maria, ich bin wieder in der Itämerenkatu. Teräsvuori hat gerade Besuch bekommen, glaube ich. Jedenfalls ist diese Frau Nieminen, Nooras Mutter, ins Haus gegangen.»
«Hanna Nieminen? Bist du sicher?»
«Zuerst ist sie mir nur aufgefallen, weil sie auf dem Zebra-streifen geparkt hat. Ihr Mantel war schief geknöpft und das Makeup so verschmiert, dass ich dachte, sie wäre betrunken. Dann hab ich sie erkannt.»
Warum ging Hanna zu Teräsvuori? Dafür konnte es nur einen Grund geben. Ich schlüpfte in die Schuhe, die ich unter den Tisch geschoben hatte.
«Hatte sie etwas bei sich?»
«So eine große, lange Sporttasche, du weißt schon, wie sie die Eishockeyspieler haben. Sie hielt die Tasche irgendwie vorsichtig, als ob sie schwer wäre, dabei sah sie fast leer aus.»
Eine Sporttasche. Ich erinnerte mich an das Jagdgewehr im Wohnzimmer der Nieminens und ließ vor Schreck fast den Hörer fallen.
«Koivu, hör mir genau zu! Ruf die nächste Streife aus Helsinki zu Hilfe und versucht, euch Zutritt zu der Wohnung zu verschaffen. Der Mann ist möglicherweise in Gefahr! Ich komme sofort hin.»
Ich zog mir die Jacke über, schnappte mir das Handy und rannte auf den Flur. Zum Glück war Pihko in seinem Zimmer.
«Komm mit, aber dalli! Ein Notfall, ich brauch einen Fahrer!», rief ich mit einer Stimme, die keinen Zweifel am Ernst der Lage aufkommen ließ. Gleichzeitig tippte ich die Nummer
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