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Die Todesspirale

Die Todesspirale

Titel: Die Todesspirale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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langsam um. Sie starrte blicklos vor sich hin, auch ohne medizinische Ausbildung erkannte man, dass sie unter Schock stand.
    Es war eine Erleichterung, als mein ehemaliger Vorgesetzter, Kriminalrat Nuotio vom Gewaltdezernat der Kripo Helsinki, eintraf und das Kommando übernahm. Seine Wichtig-tuerei wirkte beruhigend, sie führte mich zurück in die alltägliche, hierarchische Welt der Polizei. Ich bat Nuotio, einen Arzt für Hanna zu rufen, und schaute mich unter den Männern, die sich in Teräsvuoris Wohnung drängten, nach Koivu und Pihko um. Sie waren nicht zu sehen, vielleicht hatte man sie hinausgeschickt.
    Ich ließ Hanna los, doch das war ein Fehler. Sie sackte in sich zusammen, ihr Mann konnte sie gerade noch auffangen.
    Von den anderen wagte sich keiner in ihre Nähe, als hätte sie sich durch ihre Tat eine ansteckende Krankheit zugezogen.
    Mir war klar, dass ich eigentlich dableiben und meine Version der Ereignisse zu Protokoll geben sollte, doch ich musste raus. Koivu und Pihko hatten mich allein auf feindlichem Territorium zurückgelassen, und gleich würde man mich festnehmen, denn in Wahrheit trug ja ich die Schuld an Te-räsvuoris Tod, mit meiner Unentschlossenheit und meinen unbedachten Äußerungen über sein Alibi. Weil ich mich darauf versteift hatte, er müsse der Täter sein, war er hingerich-tet worden, für einen Mord, den er nicht begangen hatte.
    Ich ging hinunter auf den Hof. Die Sonne hatte sich tatsächlich einen Platz am Himmel erobert. Mein Gehör war immer noch beeinträchtigt, den Verkehrslärm vom Westring vernahm ich nur als leises Rauschen, und die Möwen rissen stumm ihre Schnäbel auf.
    Mein Herz zog sich zusammen wie ein Igel, den ein Hund anknurrt. Um es herum tat sich ein riesiges Loch auf, leer, öde und schwarz. Dort gab es nur eins, das Wissen, dass ich den schlimmsten Fehler meines Lebens begangen hatte und ihn nie wieder gutmachen konnte.
    Der Spielplatz auf dem Hof lag verlassen da, nach dem Schuss waren wohl alle Kinder in die Häuser geholt worden.
    Als die ersten Reporter eintrafen, verkroch ich mich unter der Rutschbahn, denn mit meinem dicken Bauch war ich leicht zu identifizieren. Ich hockte unter der Schräge, legte die Arme um den Bauch und dachte an das nach Milch duftende Baby, das ich bald in den Armen halten und in den Schlaf wiegen würde. Dass ich mich selbst hin und her wiegte, merkte ich erst, als mich jemand an der Schulter berührte.
    «Maria! Geht es dir nicht gut?»
    Pihko. Und hinter ihm, mit geröteten Augen, Koivu.
    «Nein», sagte ich. Dennoch versuchte ich aufzustehen, was mir nur mit Pihkos Hilfe gelang.
    «Taskinen ist gerade gekommen. Dieser Nuotio möchte mit dir sprechen.»
    «Ich schaff das jetzt nicht», sagte ich und wünschte mir, wenigstens weinen zu können. «Es ist doch alles meine Schuld.»
    «Meine genauso», sagte Koivu. «Ich hätte die Frau aufhalten müssen.»
    «Sie wäre hier gar nicht erst aufgetaucht, wenn ich nicht über das Alibi gelabert hätte.»
    «Und das hättest du nicht getan, wenn ich bei der ersten Überprüfung sorgfältiger gewesen wäre», meinte Pihko.
    «Aber oben in der Wohnung … da hätten wir doch irgendwas tun müssen … Auf Hanna einreden, sie zur Vernunft bringen.»
    Hilflos standen wir in der Frühlingssonne, die mir auf einmal grausam vorkam.
    «Morgen fängt mein Urlaub an, und danach komme ich nicht mehr zurück», sagte Pihko trübselig. Eigentlich hatten wir am Samstag seinen Abschied feiern wollen, doch nun fiel die Party wohl aus. Ich spielte mit dem Gedanken, mich zu betrinken, um wenigstens für einige Stunden alles zu vergessen. Ein einziger Vollrausch würde Schnüppchen schon nicht schaden. Gleich darauf verwarf ich die Idee und fühlte mich noch schuldiger als zuvor.
    Einer der Uniformierten kam an und teilte mir mit, Kriminalrat Nuotio wolle mich sprechen. Ich zwang mich, ins Haus zu gehen, obwohl ich am liebsten davongerannt wäre.
    Sollte ich mich einfach krankmelden? Bis zum Beginn des Mutterschaftsurlaubs waren es nur noch drei Wochen, ich brauchte vorher gar nicht mehr auf meinen Posten zurückzukehren. Und danach? Vielleicht kam ich in einer Anwaltskanzlei unter, vorzugsweise in einer, die auf Verbraucher-schutz oder ähnlich unblutige Dinge spezialisiert war.
    Vor Teräsvuoris Wohnung hielten die Polizisten einige übereifrige Reporter in Schach, während Nuotio ihnen Bericht erstattete. Mindestens einen Tag lang würde der Karaokekönig berühmt sein, und wenn die Presse

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