Die Todesspirale
ihre Liebe jedoch nicht erwiderte. Warum nicht? Interessiert er sich mehr für Männer?»
Zu meiner Überraschung lachte Rami laut auf.
«Wie kommst du denn auf die Idee? Ich weiß, ich weiß, Eiskunstläufer gelten als schwul, aber Janne ist ein stinknor-maler, langweiliger Hetero.» Er seufzte.
Mehr brauchte er nicht zu sagen. Offenbar hatte Janne gleich drei Angehörigen des ELV Teams das Herz gebrochen.
Ich blieb beim Thema:
«Janne scheint Ulrika Weissenbergs Liebling zu sein.
Meinst du, sie war eifersüchtig auf Noora?»
«Wegen Janne? Nein, keinesfalls. Janne hat sich nichts aus Noora gemacht, und ehrlich gesagt, es war auch besser so.
Ohne komplizierte Beziehungskiste läuft es sich leichter miteinander. Mit der Zeit wäre Noora über ihre Backfischliebe hinweggekommen. Sie war in mancher Hinsicht reifer als Gleichaltrige. In ihrer Beziehung zu Janne allerdings nicht.»
«Hatte sie einen Freund?», fragte ich und dachte an die Bemerkung des Pathologen, Noora sei nicht mehr Jungfrau gewesen. Natürlich konnte es sich um einen One night-stand gehandelt haben. Seltsam allerdings, dass die Deflora-tion in keinem der Tagebücher erwähnt wurde, die ich bisher gelesen hatte.
«Nicht dass ich wüsste. Aber Noora hat mir natürlich nicht alles erzählt, obwohl ich immer versucht habe, meinen Schützlingen nicht nur Trainer, sondern auch Freund zu sein.»
Das war gewiss nicht einfach, vor allem wenn der Schützling ein junges Mädchen und der Trainer nicht nur ein Mann, sondern zudem dreißig Jahre älter war. Ich hatte das Gefühl, mit Rami Luoto meine Zeit zu verschwenden, er konnte mir nichts Wesentliches über die Grigorievs sagen. Dennoch brachte ich auch Teräsvuori noch zur Sprache. Meine Behauptung, dieser sei ein guter Bekannter von Tomi Liikanen, verblüffte Rami:
«Unmöglich! Teräsvuori war für uns alle ein rotes Tuch, er hat die Arbeit der ganzen Mannschaft gestört. Tomi hätte ihn zurückgepfiffen, wenn er mit ihm in Verbindung stünde, da bin ich mir ganz sicher.» Er knallte die Wettlaufordnung zu, die in Umfang und Aussehen Ähnlichkeit mit einer Bibel hatte.
Ich verzichtete darauf, ihm zu erklären, dass die beiden Männer mehrmals zusammen gesehen worden waren. Seine Bereitschaft, bei der Aufklärung des Mordes zu helfen, schien echt zu sein, doch er wirkte ein wenig naiv. Vielleicht glaubte er tatsächlich, die Menschen wären so, wie sie sich gaben.
Aber konnte er nach vielen Jahren als Spitzensportler und Showläufer wirklich noch so gutgläubig sein, oder war seine Naivität nur vorgetäuscht?
Als wir über Teräsvuori sprachen, fiel mir ein, dass ich seit dem Vormittag nichts mehr von Koivu gehört hatte. Setzte er die Beschattung fort, war er dabei in eine tote Zone geraten, in der er nicht telefonieren konnte? Ich wollte gerade aufstehen und mich verabschieden, als Rami Luoto fragte:
«Du sagst, du hast Nooras Tagebücher gelesen. Haben sie dir weitergeholfen?»
Ich überging seine Frage. Die wenigen Bemerkungen über Rami, die ich gefunden hatte, waren ausgesprochen säuerlich, doch der Grund für Nooras Abneigung war mir nicht klar geworden. Allerdings hatte Noora eine Vorliebe für dramatische Kontraste gehabt und vielleicht deshalb Elena als die Gute und Rami als schlechten Trainer dargestellt.
«Ich glaube, das war alles», sagte ich und schraubte mich mühsam in die Höhe.
«Sich mit dem Riesenbauch zu bewegen ist sicher mühsam», meinte Rami. Seine mitfühlend gemeinte Bemerkung gab mir erst recht das Gefühl, ein schwerfälliger Koloss zu sein. Überhaupt kam es mir vor, als sähe man mich mit ganz anderen Augen an als früher. Die Kollegen klopften mir auf den Bauch, im vollen Bus rückten die Leute mit verlegenem Seitenblick von mir ab, als hätten sie Angst, die Wehen würden gleich einsetzen. Andauernd wurde ich nach meinem Befinden gefragt, und Helena, meine jüngste Schwester, schien direkt enttäuscht zu sein, wenn ich sagte, es ginge mir gut.
Ich murmelte etwas Nichtssagendes und verkniff mir die Bitte, Ramis Toilette benutzen zu dürfen. Auf dem Parkplatz setzte ich so stürmisch zurück, dass ich fast mit einem schlammbedeckten Renault zusammengestoßen wäre, dessen dunkelhaarige Fahrerin mich wütend ansah. Der Schreck saß mir noch in den Gliedern, als ich das Eisstadion passierte und durch den Tunnel fuhr. Ich war eine routinierte Fahrerin, doch der Zwischenfall auf dem Parkplatz hatte mich nachdrücklich daran erinnert, dass nichts im Leben
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