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Die Todesspirale

Die Todesspirale

Titel: Die Todesspirale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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fast neunzig Kilo.
    «Es war mein Fehler, Maria», sagte er statt einer Begrü
    ßung. «Ich hätte die Nieminen sofort aufhalten müssen. Hör dir das an!»
    Das Geschrei war bis ins Treppenhaus zu hören. Hannas Stimme klang schrill, Teräsvuoris Winseln verriet, dass er vor Angst außer sich war.
    «Vesku, Hanna, macht auf! Hier ist die Polizei!», brüllte ich durch das Schlüsselloch. «Hanna! Vesku ist unschuldig!»
    Nachbarn drängten herbei, zum Glück war Pihko mir nachgelaufen und hielt sie zurück.
    «Ist da die Polizei?», schrie Teräsvuori aus der Wohnung.
    «So helft mir doch! Sie will mich umbringen!»
    «Schlüssel?» Ich war nicht sicher, ob ich einen Ton herausgebracht hatte, doch Koivu konnte offenbar von den Lippen lesen. Der Mann vom Hausmeisterservice sei unterwegs, komme allerdings aus einem anderen Stadtteil.
    Koivu und die Helsinkier Streifenbeamten verhandelten mit einem Studentenpärchen, das in der Nachbarwohnung lebte. Die beiden waren bereit, die Schutzpolizisten auf ihren Balkon zu lassen. Zwar waren die Balkons durch eine schmale Betonkante voneinander getrennt, doch es konnte nicht schwer sein, hinüberzuklettern. Zumindest der eine Helsinkier Kollege sah aus, als könne er es schaffen. Womöglich ge-nügte der Anblick eines Polizisten, um Hanna zur Vernunft zu bringen.
    Ich brüllte weiterhin meine beruhigend gemeinten Be-teuerungen durch die geschlossene Tür, doch sie schienen nicht zu wirken. Hanna stieß mit weinerlicher Stimme Drohungen aus, ich sah sie förmlich vor mir, wie sie Teräsvuori den Gewehrlauf an die Brust hielt. Warum hatte ich ihr gegenüber angedeutet, dass wir Zweifel an Teräsvuoris Alibi hatten? Damit hatte ich sie zu dieser sinnlosen Tat angesta-chelt.
    Von unten hallten Schritte herauf. Der Mann von der Ser-vicefirma kam an, hinter ihm schwer atmend Kauko Nieminen. Ein ganzes Regiment Polizisten folgte ihnen.
    Ich schnappte mir den Schlüssel. Jetzt war nicht die Zeit abzuklären, ob einer der Helsinkier Kollegen einen höheren Dienstrang hatte.
    «Helm und Weste?», zischelte Koivu, als ich den Schlüssel ins Schloss steckte. Ich schüttelte den Kopf. Je weniger bedrohliche Requisiten, desto besser. Wahrscheinlich passte ich ohnehin nicht mehr in die kugelsichere Weste.
    «Hanna! Leg die Waffe weg, wir kommen rein!»
    Im Flur gab es nichts Außergewöhnliches zu sehen. Die beiden waren im Wohnzimmer. Teräsvuori saß wachsbleich in einem Sessel, in seinen Augen standen Tränen. Er starrte auf den Gewehrlauf, den Hanna, die leicht schwankend vor ihm stand, unbeirrt an seine Brust hielt.
    «Hanna! Gib die Waffe her!», sagte ich von der Wohnzim-mertür aus. «Teräsvuori hat Noora nicht ermordet. Er hat ein lückenloses Alibi.»
    «Das ist gelogen!», schluchzte Hanna. «Alle sind auf seiner Seite, sogar die Polizei. Ihr schützt ihn, und er wird uns alle umbringen, wenn ich nicht … Ich muss …»
    Der Schuss war unvorstellbar laut. Obwohl die Menschen-menge den Widerhall dämpfte, dröhnten mir die Ohren so sehr, dass ich das nachfolgende Geräusch kaum wahrnahm.
    Verzweifeltes, schrilles Heulen.
    Mascarablaue Tränen liefen Hanna über das Gesicht, das Gewehr entglitt ihr, sie taumelte zurück, weg von dem Toten.
    In Teräsvuoris Brust war nur ein kleines Loch zu sehen, aber aus dem Rücken sprudelte Blut, und die Leiche rutschte langsam vom Sessel. Schnüppchen strampelte in meinem Bauch wie von Sinnen, Hanna lehnte sich an mich. Hinter uns waren Würgegeräusche zu hören. Kauko Nieminen kotzte auf seine Schuhe.
    Ich hatte die Ankunft des Krankenwagens nicht gehört, doch nun drängten weiß gekleidete Männer ins Zimmer, fühlten routinemäßig Teräsvuoris Puls, als bestünde nach dem Gemetzel noch irgendeine Hoffnung. Ich legte einen Arm um die schluchzende Hanna und rieb mir mit der anderen Hand den Bauch.
    Niemand schien zu wissen, was zu tun sei, außer den Sanitätern, die den Rückzug antraten. Sie wurden nicht mehr gebraucht; was von Teräsvuori übrig war, würde erst nach der offiziellen Untersuchung des Tatorts abtransportiert werden.
    Der Geruch nach Erbrochenem wurde stärker, ich atmete instinktiv durch den Mund. Kauko Nieminen stand mit weit aufgerissenen Augen neben mir, auf seiner Glatze perlten Schweißtropfen, als hätte er gerade fünf Kilometer im Lauf-schritt zurückgelegt.
    «Hanna?», kiekste er. «Hanna hat geschossen …»
    Hanna schien die Stimme ihres Mannes nicht zu hören, doch als er sie berührte, drehte sie sich

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