Die Todesspirale
Amtsvergehen vorwerfen und deine Suspendierung fordern.
Willst du dir das wirklich antun?»
Wenn ich richtig wütend bin, spüre ich keine Hitze und sehe auch nicht rot. Ich werde vielmehr kalt wie Eis, und meine Stimme wird tiefer, bis sie an das Knurren eines Luch-ses erinnert.
«Das kannst du dir nicht leisten, Pertti Ström, du nicht!
Darf ich dich an die verschollenen Kufenschoner erinnern?
Die einzigen Fingerabdrücke, die darauf gefunden wurden, sind deine. Denk mal drüber nach!»
«Scheiße nochmal, es ist einfach unfair, dass eine Tussi, die obendrein in Mutterschaftsurlaub geht, den Posten kriegt, der mir zusteht!», brüllte Ström, und das Stimmengewirr verstummte schlagartig. «Zum Donnerwetter, ich weiß doch genau, dass du übers Bett Karriere machst. Von wem ist dein Balg überhaupt, von deinem Mann oder vom Chef? Oder weißt du es selber nicht?»
Normalerweise hätte ich über diese Unterstellung nur ge-lacht. Aber was Ström vorher gesagt hatte, brachte mich in Rage, seine Worte zertrümmerten mein mühsam wieder auf-gerichtetes Selbstbewusstsein und meine Berufsehre.
Ich nahm Pertsas Bierglas, goss ihm den Inhalt über den Kopf und schüttete mein eigenes Bier hinterher. Dann schnappte ich mir vom Nebentisch eine Ketchupflasche und drückte sie über seinem Kopf aus. Das riss ihn endlich aus der Erstarrung, er stand auf und trollte sich. Koivu lachte schallend und hielt mir die Senftube hin. Die Kellnerin dagegen sah dem Treiben ratlos zu. Da alle Gäste Polizisten waren, erwartete sie vermutlich, dass einer der Anwesenden so-zusagen von Amts wegen einschritt.
«Was geht hier vor?» Taskinen drängte sich zwischen den gaffenden Kollegen durch.
«Ich hatte Krach mit Ström, er fühlt sich offenbar von mir bedroht. Hast du von der neuen Wende in puncto Beförderung gehört?» Ich wunderte mich über meine Ruhe, noch vor ein paar Minuten hätte ich Ström glatt umbringen können.
«Ich habe es gestern früh erfahren, hatte aber keine Gelegenheit, mit dir darüber zu sprechen.»
«Na dann, herzlichen Glückwunsch.» Wie viel hatte Taskinen von Ströms Verleumdungen mitbekommen? Um die Wahrheit zu sagen, ich mochte meinen Chef sehr und hätte mich durchaus in ihn verlieben können, wenn ich es mir erlaubt hätte. Ich wusste, dass auch er sich in meiner Gesellschaft wohl fühlte, meine Nähe suchte, mich unverfänglich berührte, wenn er einen Vorwand fand. Obwohl wir beide glücklich verheiratet waren, fühlten wir uns zueinander hingezogen. So war es nun einmal.
«Da werde ich wohl ein Wörtchen mit ihm reden müssen», seufzte Taskinen.
«Lass gut sein. Ich kann mich schon wehren.»
«Was er eben gesagt hat, betrifft auch mich.» Er mied meinen Blick. Das halbe Dezernat spitzte die Ohren, um unser halblautes Gespräch mit anzuhören.
«Angenommen, deine jetzige Stelle wird frei und ich sollte sie bekommen, würdest du Ström dann bitten, mich im Mutterschaftsurlaub zu vertreten?», fragte ich, obwohl Lähde, Ströms treuester Verbündeter, direkt hinter Taskinen stand.
«Du meinst, damit würde ich Salz in seine Wunden streuen? Mag sein. Ein schwieriger Fall», nickte Taskinen.
An Pertsas Gefühle hatte ich erst in zweiter Linie gedacht.
Wenn er meinen Posten auch nur ein Jahr lang vertretungsweise bekam, würde er mir die Rückkehr in den Dienst zur Hölle machen.
Ich brachte es nicht mehr fertig, Partylaune vorzutäuschen, ich wollte nach Hause, raus aus diesem verqualmten Raum, wo mich die Kollegen neugierig beäugten. Vielleicht würden mich noch andere auf die gestrigen Ereignisse ansprechen, wenn auch freundlicher als Ström. Und das würde ich nicht ertragen.
Ich drängte mich zu Pihko durch. Glücklicherweise schien mein Schlagabtausch mit Ström ihm nicht die Stimmung verdorben zu haben, eher im Gegenteil, denn Pihko hatte im Lauf der Jahre bestimmt auch gelegentlich den Wunsch verspürt, Ström eine reinzuhauen.
«Viel Spaß noch, ich geh jetzt. Danke, dass du Liikanen vernommen hast, seine Aussage bringt uns bestimmt weiter.»
«Schade, dass ich den Fall nicht mehr mit abschließen kann.»
«Koivu und ich können dich ja telefonisch auf dem Laufenden halten», lachte ich, überzeugt davon, dass ihm die ganze Sache in einigen Tagen völlig gleichgültig sein würde.
Auf der Heimfahrt dachte ich über Pertti Ström nach, den wir alle Pertsa nannten. Wir kannten uns seit Anfang der achtziger Jahre, als wir beide die Polizeischule besuchten. Er war mehrere Jahre älter
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