Die Todesspirale
Teräsvuoris Rolle Auskunft geben. Und an Anton Grigorievs Tod interessiert mich lediglich, ob Elena weiß, wie ihr Mann um-gekommen ist.»
Verbale Kommunikation schien nicht Liikanens Stärke zu sein. Er rieb sich weiterhin die Oberschenkel und brachte kein Wort heraus. Koivu lehnte an der Wand, die Augen hinter der Sonnenbrille verborgen. Von ihm war keine Hilfe zu erwarten.
«Tomi, hat Elena die Wahrheit über Antons Tod erfahren?»
Er schüttelte langsam den Kopf und antwortete mit schleppender, für seinen stämmigen Körper zu dünner Stimme:
«Nein … Ich habe es ihr nie gesagt. Sie wusste, dass ich an dem Abend mit Anton unterwegs war, hat es der Miliz aber verschwiegen. Vielleicht hat sie etwas geahnt.»
«Welchen Anteil hatte Anton an deinen Hormongeschäften?»
«Er hat mir den ersten Kontakt vermittelt, das hab ich mindestens schon zehnmal gesagt», seufzte Liikanen. «Bei den sowjetischen Sportlern war Doping ja gang und gäbe.
Wie in anderen Ländern übrigens auch, nur haben die besseres Zeug. Jedenfalls hat Anton mich mal gefragt, ob es in Finnland einen Markt für Muskelaufbaupräparate gäbe, von stärkerem Kaliber als die Proteinprodukte. Und nach solchen Mitteln war im Fitnesscenter tatsächlich schon gefragt worden.»
«Dann hat Grigoriev dich also zum Drogenhandel ange-stiftet? War er der einzige Russe, der von deinen Geschäften wusste?»
Im Zeitlupentempo zuckte er die Achseln – explosive Schnelligkeit war offensichtlich auch nicht seine starke Seite.
«Das war mir egal, solange der Vertrieb lief.»
«Und er funktionierte nach Antons Tod weiterhin?»
Als Liikanen nickte, brachte ich Teräsvuoris Rolle zur Sprache. Stockend berichtete er, nachdem aus der Sowjetunion das marktwirtschaftlich orientierte Russland hervorgegan-gen war, habe sein Hormonlieferant den Handel mit weitaus teureren Erzeugnissen, hauptsächlich mit Cannabisproduk-ten und Heroin, aufgenommen. Es war leichter geworden, den Stoff zu transportieren, und die Kuriere, die Tomis eher harmlose Pillen über die Grenze schmuggelten, brachten gleichzeitig harte Drogen mit. Es war ein verrückter Zufall, dass die MattinenBande, die uns vor rund vier Jahren bei einer Mordermittlung ins Netz gegangen war, auch Liikanens Hormonpillen eingeschmuggelt hatte. Als dieser Ring zerschlagen wurde, suchten die Händler neue Importeure. Bei der Gelegenheit hatte Liikanen Teräsvuori kennen gelernt, ebenfalls ein kleiner Fisch, der hauptsächlich Cannabis an die gelangweilte Dorfjugend verkaufte.
«Sie wollten Vesku und mir auch Heroin aufschwatzen, aber da haben wir uns nicht rangetraut. Ich jedenfalls nicht.
Wenn jemand seine Muskeln aufpäppeln will, ist nichts dabei, finde ich. Davon wird man nicht süchtig, und es zwingt einen ja keiner», verteidigte sich Liikanen.
«Findest du es moralisch richtig, einer Sechzehnjährigen Dopingmittel anzudrehen? Du warst Nooras Pillenlieferant, das brauchst du gar nicht erst abzustreiten, ich habe ihr Tagebuch gelesen. Wollte sie dich verpfeifen? Hast du sie deshalb umgebracht?»
«Ich habe Noora nicht umgebracht! Ich hab sie an dem Abend gar nicht zu Gesicht bekommen!»
«Dein Kumpel hat zwar bestätigt, dass er an dem fraglichen Abend Powerdrinks bei dir gekauft hat, trotzdem hättest du Zeit genug gehabt, Noora zu erschlagen. Und Muskeln hast du ja genug!»
«Ich war’s nicht!»
«Aber du weißt, wer es getan hat, oder?»
Bei diesen Worten richtete Koivu sich auf, während Liikanen sich immer heftiger die Oberschenkel rieb.
«Woher denn?»
«Letzten Dienstag hat Teräsvuori hinter dem ‹Fishmaid› zu dir gesagt, ihr könntet euch beide denken, wer Noora ermordet hat und warum. Erinnerst du dich?»
Liikanen starrte mich verdattert an. «Woher wisst ihr das?», fragte er schließlich.
«Teräsvuori stand unter Beobachtung», log ich. «Wen hat er gemeint, raus mit der Sprache!»
«Was springt dabei für mich raus?»
Ich seufzte. Ich hatte weder den Wunsch noch die Befug-nis, mit Liikanen einen Handel abzuschließen, denn das Rauschgiftdezernat würde seinen Fall übernehmen. Zudem konnte er jeden beliebigen Namen nennen, schließlich konnte ihm Teräsvuori nicht mehr widersprechen. So war ich denn auch nicht überrascht, als er behauptete:
«Ich dachte, Vesku meint sich selbst. Er wollte sich ja an Hanna rächen, das muss die Polizei doch wissen.»
Ich konnte seine Behauptung nicht widerlegen. Gab es au
ßer seiner Frau noch jemanden, den er decken wollte? Kurz
Weitere Kostenlose Bücher