Die Todesspirale
darauf verließ, dass ich mit jeder Situation fertig wurde.
«Der kommt auch so mit», sagte ich und zog Janne an den Schultern hoch.
«Bist du verrückt, in deinem Zustand?», brüllte Koivu ungewohnt heftig, packte Janne am Arm und stemmte ihn hoch. Er war einige Zentimeter größer und fünfzehn Kilo schwerer als der Junge und schaffte es fast ohne meine Hilfe.
Da Janne nun immerhin seine Beine bewegte, gelang es uns schließlich, ihn ins Auto zu bugsieren. Koivu setzte sich freiwillig neben ihn auf die Rückbank. Als wir auf die Schnellstraße kamen, begann Janne zu meiner Verblüffung zu sprechen.
«Darf ich erfahren, mit welcher Begründung ihr mich fest-nehmt und meinen Wagen untersuchen lasst?»
«Weil um die Zeit, als Nooras Leiche im Parkhaus abgelegt wurde, dort ein roter Nissan Micra gesehen worden ist», er-klärte ich ihm.
Er stöhnte unwillkürlich auf, und ich sah im Rückspiegel, wie er den Kopf auf die Arme sinken ließ. Mir war, als hätte ich einen Eisklumpen in der Kehle. Natürlich hatte ich gehofft, Nooras Tod schnell aufzuklären, doch dieses Ergebnis war nicht nach meinem Geschmack.
Mehr war aus Janne nicht herauszuholen. Ich ließ ihn mit Koivu warten und bat den Dienst habenden Kriminalrat der benachbarten Abteilung um einen Haftbefehl. Er sträubte sich zuerst, stellte den Schein dann aber aus. Zum Glück war Ström nicht im Dienst, er hätte Janne sicher die ganze Nacht in die Mangel genommen. Ich zog es vor, ihn einige Stunden schmoren zu lassen, damit er am nächsten Morgen gesprä
chiger war.
Als er abgeführt wurde, hatte ich trotz allem Mitleid mit ihm. Auf meine Frage, ob er einen Arzt, einen Psychologen oder einen Rechtsbeistand wolle, hatte er beharrlich ge-schwiegen und nicht einmal darum gebeten, jemanden über seine Festnahme zu informieren.
Lähde tippte in seinem Büro noch an dem Bericht über die Befragung der Parkhausbesucher. Er rief die Daten des Zeugen auf, der den Micra gesehen hatte, und bestellte ihn für den nächsten Morgen um acht aufs Präsidium, um Jannes Wagen in Augenschein zu nehmen. Da fiel mir ein, dass der Nissan noch in Otaniemi stand.
«Ich kann ihn ja morgen holen», bot Koivu an.
«Er muss aber gleich ins Labor. Der Kofferraum sollte sofort untersucht werden. Wenn wir Blutspuren finden …»
«Jetzt noch?», stöhnte Koivu, doch als ich sagte, dann wür-de ich eben allein fahren, kam er murrend mit. Ich wählte ein unmarkiertes Dienstfahrzeug, mein Fahrrad konnte über Nacht im Präsidium bleiben.
«Brauchen Schwangere nicht besonders viel Schlaf?», fragte Koivu unterwegs.
«Soll das ein Wink mit dem Zaunpfahl sein? Ich kann nicht schlafen, bevor das Auto im Labor steht. Ehrlich gesagt, bin ich nicht sicher, ob Jannes Festnahme richtig war.»
«Jedenfalls hat er alles getan, um schuldig zu wirken. Wie hast du es nur geschafft, so ruhig zu bleiben? Ich bin ein paar Mal fast ausgerastet, als er dahockte und auf den Boden starrte.»
«Das ist der wundersame Einfluss der Schwangerschaft.
Pass auf, ich werde noch so gelassen und mütterlich, dass du mich nicht wieder erkennst.»
«Hast du Angst?», fragte Koivu, der das Thema bisher strikt gemieden hatte. «Vor den Wehen und so?»
«Vor der Geburt hab ich weniger Angst als vor dem, was danach kommt. Andere werden damit zwar auch fertig, aber … Wahrscheinlich werde ich darauf brennen, wieder arbeiten zu gehen.»
Auf einer Rasenfläche sah ich ein Hasenpärchen sitzen, das von einem vorbeilaufenden Jogger aufgescheucht wurde.
Der Nissan Micra stand unverändert vor dem Haus in der Otaniementie, unter dem Scheibenwischer steckte ein Zettel mit der Aufforderung, den schräg geparkten Wagen ordnungsgemäß abzustellen.
Wir streiften Handschuhe über und knipsten die Taschenlampe an. Ich weiß nicht, was ich erwartete, als ich den Deckel öffnete, eine Blutlache etwa? Bis auf ein Warndreieck und eine Flasche Motoröl war der Kofferraum jedenfalls leer.
Auch das Wageninnere war unglaublich sauber, als wäre erst heute jemand mit dem Staubsauger zugange gewesen.
Das wirkte verdächtig.
«Deck den Sitz ab, bevor du einsteigst. Ich versuche morgen, mit Kati Järvenperä und Nooras Eltern zu sprechen, ich ruf dich danach an.»
Koivu nahm einen Plastiksack aus dem Einsatzkoffer und breitete ihn über den Fahrersitz.
«Echt professionell», spottete ich, obwohl mir eigentlich nicht zum Lachen war. Es war bereits neun Uhr, die Erbsensuppe vom Mittag hatte ich längst verdaut, und mein
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