Die Todesspirale
getrennt?»
Janne gab keine Antwort. Sein Gesicht war immer noch hinter dem schwarzen Hemd verborgen, die Bauchmuskeln zuckten. Koivu suchte meinen Blick, hob die Augenbrauen und schüttelte den Kopf. Ich überlegte, ob tatsächlich Nooras Mörder vor uns hockte.
«Hey, Janne, mit Schweigen kommst du nicht weiter. Sag uns, was gestern passiert ist, dann lassen wir dich in Ruhe.»
Wieder keine Antwort. Koivu stand auf und trat an das Bü
cherregal, auf dem mehr Schallplatten und Krimskrams standen als Bücher. Dann bückte er sich und hob ein großes, gerahmtes Bild auf. Das Glas war zersplittert. Wortlos reichte er es mir. Die Kleidung und der Bildhintergrund deuteten darauf hin, dass die Aufnahme bei der WM in Edmonton gemacht worden war. Die beiden Eisläufer hatten die Arme umeinander gelegt und lächelten fröhlich. Janne sah in die Kamera, Noora blickte Janne an, und ihr Gesicht ließ keinen Zweifel daran, dass sie ihren Partner verehrte.
«Wann hast du das zerschlagen?», fragte ich.
«Glaubt mir doch endlich, ich habe nichts zu sagen!» Er brüllte so laut, dass mir das Bild aus der Hand glitt und die Haut zwischen Zeigefinger und Daumen von einem Glassplitter aufgerissen wurde. Janne sprang auf, ließ sich dann aber wieder auf den Futon fallen. Immer noch war sein Gesicht schweißüberzogen, die hellgrünen Augen hielt er auf den Fußboden geheftet.
Wir bemühten uns vergeblich, etwas aus ihm herauszuholen, bekamen aber nur immer wieder zu hören, er habe nichts zu sagen. Schließlich wusste ich nicht mehr weiter.
Zwar konnte ich mir kaum vorstellen, dass Janne Noora ge-tötet hatte, doch er verhielt sich, als wäre er schuldig. Verwirrt war er auf jeden Fall, es konnte riskant sein, ihn allein zu lassen. Sollte ich Taskinen anrufen und um Instruktionen bitten? Aber nein – ich musste selbständig entscheiden. Als Dezernatsleiterin würde ich mir auch keine Rückendeckung mehr holen können. Einen offiziellen Haftbefehl musste ich mir vom Kriminalrat natürlich ausstellen lassen.
«Pack deine Sachen!», wies ich Janne an. «Wir machen auf dem Präsidium weiter.»
«Hast du gehört, was Hauptmeister Kallio gesagt hat?», brüllte Koivu, da Janne keine Reaktion zeigte. «Und gib uns deine Autoschlüssel, der Wagen muss untersucht werden.»
Nun sah Janne mich zum ersten Mal an.
«Was soll das? Wollt ihr mich verhaften? Dann müsst ihr mich schon tragen.»
«Du hast Anspruch auf einen Anwalt bei der Vernehmung.
Willst du gleich jetzt telefonieren?», fragte ich bemüht ruhig.
Mir war keineswegs daran gelegen, Janne mit Gewalt in eine Zelle zu sperren, ich wollte ihm nur Angst einjagen, damit er endlich redete.
Da er keine Anstalten machte, aufzustehen und sich anzuziehen, öffnete ich auf gut Glück den nächsten Schrank, in dem ich Socken und Hemden fand. Ich nahm heraus, was zuoberst lag, ein grünes Baumwollhemd und schwarze Socken, gab Janne die Sachen und forderte ihn noch einmal auf, sich anzuziehen. Er gab keine Antwort, blieb reglos sitzen und starrte zu Boden.
So verwirrt und unsicher wie jetzt war ich in meiner Laufbahn nur selten gewesen. Eine innere Stimme sagte mir, dass Jannes Verhaftung eine Schnapsidee war, schließlich hatten wir keine Beweise gegen ihn. Verdächtig war nur seine totale Weigerung, mit uns zu kooperieren, doch die konnte auf den Schock zurückzuführen sein.
Andererseits hatte ich allmählich die Nase voll, ich wollte endlich nach Hause.
«Dann müssen wir dich eben anziehen», sagte ich und streifte ihm die Socken über. Es war eine idiotische Situation. Zwar hatte ich schon Betrunkene ausgezogen und an den merkwürdigsten Typen Leibesvisitationen durchgeführt, doch bei dem attraktiven jungen Mann brachte mich die körperliche Nähe ganz durcheinander. Zum Glück kam Koivu dazu und zog Janne das Hemd an, ich streifte ihm Slipper über, die ich im Flur gefunden hatte, Koivu half ihm in den Mantel.
«Die Autoschlüssel!», sagte ich. «Und was du sonst noch mitnehmen willst.»
Janne reagierte nicht. Ich wies Koivu an, in die Mantelta-sche zu fassen, und dort waren sie tatsächlich, der Schlüssel zum Pkw und der zur Wohnung, den ich einsteckte. Ich bat Janne aufzustehen, doch er hatte seine Bemerkung, wir müssten ihn tragen, offenbar ernst gemeint.
«Soll ich die Handschellen holen?», fragte Koivu schließ
lich. Zum Glück war der einzige Zeuge der jämmerlichsten Verhaftungsaktion meiner Laufbahn dieser ruhige, besonnene Kollege, der sich bereitwillig
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