Die Todesspirale
nächtlichen Anrufe von acht-zehnjährigen Mädchen, die mich dazu gebracht haben, nach Koukkuniemi zurückzukehren. Vesku hat immer mehrere Frauen gebraucht. In Karjaa hatte er eine Abiturientin, die er ganz groß rausbringen wollte, und in Hamina eine verheira-tete Frau. Die hat er ab und zu besucht, wenn er angeblich auf Tournee war. Aber mir hat er vorgeschwindelt, ich wäre die Frau seines Lebens. Mit der Zeit habe ich allerhand über ihn erfahren. Er hatte überall Schulden, ich weiß nicht, woher er das Geld für die Blumen und Geschenke für mich nahm.
Kauko ist zwar langweilig und hässlich, aber seine Finanzen hält er in Ordnung. Die Firmenbücher sind immer tipptopp.»
Ein Bluttropfen fiel auf ihr schwarzes Kleid. Ich nahm mir vor, Pihko noch einmal auf Vesku Teräsvuori anzusetzen. Von Geschwindigkeitsüberschreitungen und Steuerschulden abgesehen, war er bisher nicht aktenkundig geworden, doch sein jüngerer Bruder hatte bereits zweimal wegen Betrugs eingesessen. Vielleicht hatte Vesku durch ihn Kontakt zu Auf-tragsschlägern.
«Es würde mich nicht wundern, wenn Vesku versucht hät-te, mir wehzutun, indem er Noora zusammenschlagen lässt.
Besonders viel Phantasie verlangt das nicht, mit dieser Nancy Kerrigan hat man es vor ein paar Jahren in Amerika ja auch so gemacht. Bescheuert wie ich war, habe ich Vesku er-zählt, wie sehr ich mir als Kind gewünscht habe, Eiskunstläuferin zu werden, was aber damals, Ende der sechziger Jahre, in einer Kleinstadt unmöglich war.»
Hannas Blick schweifte über die Wand, doch sie sah garantiert ganz andere Bilder als die Männercollage, die dort hing.
«Im Winter hat mein Vater auf dem Hof eine Eisbahn angelegt, klein und holprig, aber zwei Kinder konnten schon darauf herumschlittern. Ich habe unseren alten Plattenspie-ler ans Fenster gestellt und auf dem Eis Tango getanzt. Mein Bruder hatte eine Beatles Platte, aber die ließ er mich nicht spielen. Ich hätte gern ein richtiges Kostüm gehabt, mit Pelzbesatz, wie die Marja aus meiner Klasse, aber Mutter wollte mir keins nähen. Damals habe ich mir geschworen: Wenn ich mal eine Tochter bekomme, wird sie Eiskunstläuferin.»
Geschichten wie diese hatte ich allzu oft gehört, und meist gingen sie traurig aus. Aber Noora war mit ihrem Los offenbar zufrieden gewesen, sie hatte sich die Träume ihrer Mutter zu Eigen gemacht.
Hanna schien fest daran zu glauben, dass Teräsvuori auf die eine oder andere Weise für Nooras Tod verantwortlich war, und gab sich alle Mühe, mich zu überzeugen. Dennoch traute ich ihrer Theorie nicht ganz.
«Wir werden selbstverständlich überprüfen, ob Teräsvuori einen Schläger beauftragt hat. Hat er denn jemals mit so etwas gedroht?»
Sie schüttelte den Kopf, erzählte mir aber gleich darauf von einem gewissen Karttunen, der Vesku einmal fünftau-send Mark geschuldet und behauptet hatte, er könne sie nicht zurückzahlen. Am selben Abend war er überfallen worden, und am nächsten Tag stand er mit gebrochener Nase und dem Geld vor der Tür. Hanna war allein in der Wohnung gewesen und hatte sich über den dicken, schmuddeligen Briefumschlag gewundert, der ihr in die Hand gedrückt wurde.
«Ich habe nicht gewagt, Fragen zu stellen, vor allem weil Vesku das Geld brauchte, um seine eigenen Schulden zu bezahlen. Aber damals ist mir klar geworden, dass ich bei ihm wohl doch keine Geborgenheit finde. Und außerdem …»
Sie wurde unterbrochen, weil Puupponen anklopfte und mir die letzten Ergebnisse der Haus zu Haus Befragung in Matinkylä brachte.
«Wann bist du frei?», fragte er und sah mich an, als hätte er mir etwas Wichtiges mitzuteilen.
«Ich muss sowieso gehen», sagte Hanna rasch. Ich sah, dass nun auch ihr linker Daumen blutete.
«Holen wir jetzt Nooras Sachen», schlug ich vor und dachte an die zerrissenen, blutigen Kleidungsstücke, die ebenfalls in der Asservatenkammer lagen. Es war bestimmt besser, wenn Hanna sie nicht zu Gesicht bekam. Und was sollte ich mit den Tagebüchern machen? Es ging mich zwar nichts an, aber für Kauko und Hanna wäre es sicher schlimm, mit der Wut und Verachtung ihrer Tochter konfrontiert zu werden.
Hanna stöckelte vor mir her, als hätte sie Probleme, auf ihren hohen Absätzen zurechtzukommen. Schweigend legten wir den Weg zur Asservatenkammer zurück. Auch als sie Nooras Tasche erblickte, von der im Labor jedes Stäubchen abgesaugt worden war, sagte sie kein Wort, sondern holte nur tief Luft. Aber bei der Frage, ob sie Nooras Kleidung
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