Die Todesspirale
stand nicht drauf», wich er aus.
«Was hat Ström dir versprochen, wenn du den Mund hältst? ’ne Flasche Schnaps? Wo sind die Schoner jetzt?»
«Gar nichts hat er mir versprochen. Sind die Dinger denn wichtig? Ström hat sie behalten, frag ihn selbst.»
«Er ist nicht da. Sag mir, wo ihr sie gefunden habt.»
«Ich hab nicht daneben gestanden.» Hirvonen versuchte sich hinter seinem Bericht zu verschanzen. Sein Gesicht war knallrot wie das eines Fünfzehnjährigen, der mit einem fri-sierten Mofa erwischt worden ist.
Offenbar hatte mir die Schwangerschaft noch nicht genug dämpfende Brutpflegehormone ins Blut geträufelt, denn ich sah rot. Hirvonens lächerlicher Spitzbart kam mir gerade recht, ich griff danach und zog sein Gesicht dich an mich heran.
«Raus mit der Sprache! Kapierst du nicht, dass nur Loser mit Ström gemeinsame Sache machen? Er wird nicht Dezernatsleiter, den Posten kriege ich! Und spätestens dann geht’s dir an den Kragen, wenn du jetzt nicht spurst!»
Offenbar stürzte der Widerspruch zwischen meinem sanft mütterlichen Aussehen und meinem rabiaten Verhalten Hirvonen dermaßen in Verwirrung, dass er zu reden begann und ein Stück Papier zu Hilfe nahm, als die Worte nicht reichten. Der Fundort lag in einem kleinen bewaldeten Streifen unterhalb der Autobahnausfahrt. An der Bushaltestelle, die wegen der Bauarbeiten an der neuen Zufahrtsrampe vor
übergehend an diese Stelle verlegt worden war, hatte der Pä
dophile seinem bisher letzten Opfer aufgelauert.
Wo sich die Kufenschoner jetzt befanden, wusste Hirvonen nicht. Ich tippte auf Pertsas Büro. Also kehrte ich in unsere Abteilung zurück und bat die Sekretärin, mir sein Zimmer aufzuschließen.
«Ström hatte versprochen, einen Bericht für mich auf seinem Schreibtisch zu hinterlegen, aber offenbar hat er versehentlich abgeschlossen», schwindelte ich. Die Sekretärin fragte nicht weiter, die Büros waren schließlich keine Privat-räume. Die meisten Kollegen schlossen nicht mal ab, wenn sie das Haus verließen.
Lähde und Ström waren starke Raucher und pafften in ge-genseitigem Einverständnis in ihrem Dienstzimmer, obwohl das Rauchen seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes in der ganzen Abteilung verboten war. Da beide mit dem Arrange-ment zufrieden waren, mochte sich niemand beschweren, auch wenn jedes Mal Qualm auf den Gang zog, sobald die Tür geöffnet wurde. Im Gegenteil, die anderen Schmaucher in unserer Abteilung frönten ihrem Laster lieber im Büro der Kollegen, als sich in das zwei Etagen tiefer gelegene Rau-cherzimmer zu bemühen. In diesem Punkt waren die Geset-zeshüter die Ersten, die gegen das Gesetz verstießen.
Auch jetzt war die Luft zum Schneiden dick. Eine Trennwand teilte den Raum, auf Lähdes Seite herrschte fröhliches Chaos, während in Pertsas Reich alle Papiere akkurat in ihren Fächern lagen. Eingang, Ausgang, In Bearbeitung. Nur ein paar zerknüllte Zigarettenschachteln und der überquellende Aschenbecher störten die pedantische Ordnung. An der Trennwand hing eine Karte von Espoo; die blauen Steckna-deln rund um Matinkylä markierten vermutlich die Stellen, wo der Pädophile aktiv geworden war.
Von einem Foto neben der Karte lächelten Jenna und Jani, Ströms Kinder, die er, wie er klagte, viel zu selten sah.
Die Schreibtischschubladen waren das nahe liegende Versteck für einen Gegenstand von der Größe der Kufenschoner. Ich streifte dünne Latexhandschuhe über und machte mich an die Arbeit, wobei ich ein eigenartiges Schuldgefühl verspürte, obwohl in diesem Spiel doch Pertsa Ström der Schurke war. In der obersten Schublade lagen nur Papiere und zwei volle Zigarettenschachteln, offenbar Pertsas eiserne Reserve. Die nächste Schublade war leer, in der dritten befanden sich ein Paar schmutzige Socken und ein brauner, am Zeigefinger aufgerissener Lederhandschuh.
In der untersten Schublade entdeckte ich eine Tüte mit dem Aufdruck des Alkoholgeschäfts, in der ich eine Schnapsflasche ertastete. Verdammt nochmal, war Pertsa etwa so tief gesun-ken, dass er im Dienst trank? Rasch nahm ich die Tüte heraus.
Sie enthielt eine leere Halbliterflasche. Doch die interessierte mich nun nicht mehr, denn daneben lag noch etwas anderes: graue, zerkratzte Kufenschoner aus Plastik, mit dunklen, teil-weise verblassten Flecken. Als hätte jemand versucht, sie ab-zureiben. An der Ferse des einen Schoners waren deutlich die Initialen N.N. zu erkennen. Es mussten Nooras sein.
Aber wie waren sie auf die Baustelle
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