Die Todesspirale
hat Elena wirklich nichts von der Verbindung gewusst.»
Es tat gut, so inoffiziell und freimütig über einen ungelösten Fall zu palavern. Allzu oft grübelte ich allein vor mich hin, was natürlich auch daran lag, dass ich mir keine Blöße geben wollte, indem ich dumme Fragen stellte. Wir einigten uns darauf, dass Koivu, den Teräsvuori nicht kannte, diesen einige Tage observieren sollte. Taskinen übernahm es, sich nach der Beziehung zwischen Tomi Liikanen und Anton Grigoriev zu erkundigen, denn er hatte Bekannte bei der Moskauer Miliz. Parteilos wie er war, hatte er sich in den siebziger Jahren doch dazu hinreißen lassen, dem finnisch sowjetischen Freundschaftsverein beizutreten, was seiner Karriere heute eher abträglich war.
Am nächsten Morgen fuhr ich zu den Nieminens. Wieder einmal war der Tag grau wie das Winterfell der Eichhörnchen, Regentropfen sprühten gegen die Windschutzscheibe. Wo sich der Löwenzahn bereits aus der Erde gewagt hatte, hielt er seine Blüten fest geschlossen, und eine Bachstelze sah aus, als sei sie betrogen worden.
Hanna Nieminen öffnete mir die Tür. Ihr Make up war verschmiert, wie immer in den letzten Tagen, ihre Augen waren verhangen.
«Sie schon wieder?», wunderte sie sich. «Ich habe jetzt eigentlich keine Zeit. Ulrika ist hier, wir bereiten Nooras Beerdigung vor.»
Sie trug ein schlecht sitzendes graues Strickkleid mit einem schmalen schwarzen Gürtel. Auf offenbar ungewohnt hohen Absätzen stöckelte sie mir voran in die Küche. Dort saß Ulrika Weissenberg, die bei meinem Anblick die gezupf-ten Augenbrauen hochzog. Auf dem Küchentisch stapelten sich Prospekte verschiedener Partyservices und Kochbücher, darunter lugte ein Gesangbuch hervor.
«Guten Tag», begrüßte ich Ulrika Weissenberg, deren Anwesenheit meine Pläne durchkreuzte, denn in ihrem Beisein würde Hanna sicher nicht offen reden.
«Hat die Polizei endlich etwas herausgefunden? Immerhin ist bereits eine ganze Woche verstrichen», erwiderte Ulrika Weissenberg schroff.
«Wir gewinnen jeden Tag neue Erkenntnisse.» Meine Stimme klang fest und selbstsicher; im selben Ton bat ich Hanna um ein Gespräch unter vier Augen.
Sie machte eine unschlüssige Geste, nahm ein Glas von der Spüle und sah hinein, als liege auf seinem Boden eine zweite, uns anderen unsichtbare Welt. Es war, als hätte sie mich nicht gehört. Nach einer Weile seufzte sie, öffnete den Geschirrschrank und stellte das Glas mit zitternden Händen hinein.
«Geh nur, ich rechne inzwischen die Kosten zusammen», sagte Frau Weissenberg beschwichtigend, und ich überlegte zum ersten Mal, ob sie den Nieminens vielleicht doch aus reiner Gefälligkeit half. Hanna wäre jedenfalls nicht fähig gewesen, die Beerdigung allein zu organisieren. Sie schien von Tag zu Tag konfuser zu werden. Allem Anschein nach nahm sie Beruhigungsmittel, doch ich hatte den Eindruck, dass sie darüber hinaus psychiatrische Behandlung brauchte.
Sie führte mich in Nooras Zimmer. Seit meinem letzten Besuch war nichts angerührt worden, der Pulli und die Strumpfhose lagen immer noch auf dem Sofa, der Trägerrock verstaubte auf dem Couchtisch. Ich nahm auf dem Sofa Platz, wobei ich mich bemühte, nichts zu verrücken. Hanna zögerte, setzte sich dann auf Nooras Bett und strich über den violetten Bezug, der unter der weißen Tagesdecke hervorblitzte.
«Ich möchte noch einmal auf Vesku Teräsvuori zurückkommen. Beim letzten Mal haben wir über seinen Bekannten-kreis gesprochen. Hat er je erwähnt, dass er Tomi Liikanen kennt?»
Das Fleisch rund um ihre Fingernägel lag blank, der kleine Finger der rechten Hand war bereits entzündet. Dennoch begann sie wieder daran zu zupfen.
«Tomi … Elenas Mann? Nein … oder doch, sie sind sich ein paar Mal begegnet, als wir Noora von der Halle abgeholt haben und Tomi auf Elena wartete.»
Ich nickte. Natürlich war es möglich, dass sich die beiden Männer auf diese Weise kennen gelernt hatten, auch wenn ihre Beziehung inzwischen mit Sicherheit über eine Grußbekanntschaft hinausging.
«Vesku ist beruflich viel unterwegs, in ganz Finnland, nicht wahr?»
«Ja. Ab und zu veranstaltet er auch auf den Fähren nach Estland Karaoke Shows.»
«Treibt er Sport, Bodybuilding zum Beispiel?»
«Jedenfalls nicht, als wir zusammen waren. Er hat immer gesagt, das Singen und die Arbeit mit anderen Menschen hielten ihn fit, auch ohne schweißtreibendes Gezappel. Vesku meint, Sportler wären nicht ganz normal, Freizeitsportler schon gar
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