Die Todesspirale
welche Hölle unsere Familienangehörigen dann erwartet hätte.»
«Ihr erster Mann ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen … Er wurde überfahren, nicht wahr?»
Die Grigorieva nickte, winkte mich dann überraschend ins Wohnzimmer.
«Sie kommen allein. Also ist dies keine richtige Vernehmung. Setzen Sie sich. Möchten Sie Tee? Ich wollte selbst eine Tasse trinken, bevor ich gehe.»
«Danke, gern.» Erleichtert ließ ich mich auf einem der straff gepolsterten Sessel nieder. Ich hatte mir keine Fragen zurechtgelegt, sondern wollte Elena Grigorieva frei reden lassen. Auf einem reich verzierten Tablett, das wie echtes Silber aussah, trug sie eine Kanne herein und reichte mir ein Teeglas, dessen Halter ebenfalls aus Silber zu sein schien. Im harzbraunen Tee schwamm ein Klacks Himbeer-marmelade.
Die Trainerin setzte sich in den zweiten Sessel und rührte in ihrem Teeglas.
«Anton wurde eines Nachts überfahren, als er von einer Sitzung nach Hause kam. Er hatte es abgelehnt, Trainer zu werden, weil er vom Eiskunstlauf genug hatte. Da hat man ihm eine Stelle im Sportministerium gegeben.»
«Wie lange ist das her?»
«Im August werden es fünf Jahre. Es ist kurz vor dem Putschversuch der Generäle passiert.»
«Hat man den Fahrer gefasst?»
Sie seufzte. Es habe sich kein Zeuge gemeldet, obwohl der Unfall auf einer recht stark befahrenen Straße passiert war.
Noch vor Ablauf eines Monats habe die Miliz die Ermittlungen eingestellt. Zwar habe es allerlei Andeutungen von einer Beteiligung des KGB oder Ungereimtheiten im Sportministerium gegeben, doch sie habe nicht gewusst, ob sie irgendeiner dieser Theorien Glauben schenken sollte.
«Tomi ist zu Antons Beerdigung gekommen. Schon damals hat er mir angeboten, mich zu heiraten, damit ich das Land verlassen konnte. Dann kam der Putschversuch, und die Verhältnisse im Eisstadion wurden immer schlechter. Die Gehälter konnten nicht bezahlt werden, es gab kein ordentliches Eis mehr.»
Ihr Bericht erweckte den Eindruck, dass sie Tomi Liikanen keineswegs aus brennender Liebe geheiratet hatte, sondern eher aus dem Bedürfnis nach Geborgenheit. Allerdings war die Dreizimmerwohnung in Kuitinmäki nicht gerade ein Lu-xusquartier, vielleicht steckte also doch mehr dahinter als pure Berechnung. Aber warum war Anton Grigoriev aus dem Weg geräumt worden, und was hatte Liikanen damit zu tun?
«Ihr erster und Ihr jetziger Mann waren also gute Freunde?»
«Freunde? Mag sein. Anton fiel es leicht, Menschen kennen zu lernen, er war sehr kontaktfreudig. Finnen hatte er bis dahin kaum gekannt, in unserer aktiven Zeit hatten Sie ja fast keine Eiskunstläufer von internationalem Niveau, Rami Luoto war eigentlich der Einzige. Anton hat sogar angefangen, Finnisch zu lernen, und ich habe mitgelernt.»
«Sie sprechen unsere Sprache unglaublich gut.»
«Das muss ich ja. Die Zehnjährigen, die ich trainiere, sprechen noch kein Englisch. Übrigens, dieses Medikament, das Noora genommen hat … Weiß man inzwischen, woher sie es hatte?»
Ich schüttelte den Kopf und trank einen Schluck Tee, dessen intensiver Geschmack eigenartigerweise bis in die Nase stieg. Neue Verdachtsmomente taten sich auf. Wieso stieß ich auf immer neue Verbindungen mit Russland? Im Winter hatte die Helsinkier Drogenfahndung Heroinschmuggler gefasst, die einen regelmäßig zwischen Riga und Helsinki pen-delnden Basketballtrainer als Kurier eingesetzt hatten. Der Mann, der früher in der sowjetischen Nationalmannschaft gespielt hatte, hatte ausgesagt, in der Sowjetzeit habe man von Sportlern Drogen und Schwarzgeld ins Ausland schmuggeln lassen. Vielleicht hatten die Grigorievs dabei mitgemacht? Allerdings lag ihre aktive Zeit bereits fünfzehn Jahre zurück. Wenn aber Anton Grigoriev als Beamter des Sportministeriums irgendeinen illegalen Handel organisiert und Tomi Liikanen gerade in diesem Zusammenhang kennen gelernt hatte …
Dann war Noora vielleicht ermordet worden, weil sie etwas herausgefunden hatte. Doch das würde bedeuten, dass Tomi Liikanen auch in den Tod von Anton Grigoriev verwickelt gewesen war. Hatte Elena Grigorieva unwissentlich den Mörder ihres Mannes geheiratet? Oder war sie eingeweiht gewesen?
Falls Tomi Liikanen tatsächlich Noora und Anton auf dem Gewissen hatte, war es wahrscheinlich doch kein Zufall, dass ich in seinem Fitnesscenter festgesessen hatte …
In dem Moment betrat Irina, schon im Mantel, das Wohnzimmer und fragte ihre Mutter etwas auf Russisch.
«Da, da, Irinotška, idjom
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