Die Todesspirale
nicht, weil die nicht mal dafür bezahlt werden, dass sie sich abstrampeln.»
Sie hing eine Weile ihren Gedanken nach, ein amüsiertes Lächeln umspielte ihre Lippen.
«Ich dachte immer, Kauko und Vesku hätten nichts gemeinsam. Aber das stimmt gar nicht. Kauko hält Freizeitsport auch für Blödsinn. Sami fährt er nur zum Eishockey-training, damit der Junge eines Tages Millionen verdient, wie Teemu Selänne. Wenn das Mädchen auf dem Eis so erfolgreich ist, muss doch auch der Junge begabt sein», äffte sie die Stimme ihres Mannes nach. «Warum fragen Sie mich denn schon wieder nach Vesku? Sie haben doch gesagt, er hätte für die Tatzeit ein Alibi. Stimmt das nicht?»
Der Schleier vor ihren Augen hob sich, ihr Blick wurde klar und bohrend. Ich gab keine Antwort, um sie nicht wieder in Rage zu bringen, doch sie deutete mein Schweigen als Zustimmung.
«Warum verhaften Sie ihn nicht endlich! Wollen Sie etwa abwarten, bis er auch noch unseren Sami umbringt – oder mich? Ich habe Vesku von einer anderen Seite kennen gelernt, er bedroht andere Menschen und scheut sich auch nicht, Frauen zu schlagen. Warum glaubt die Polizei uns nicht?»
«Wir glauben Ihnen ja», sagte ich und merkte, wie kraftlos meine Beteuerung klang.
Was konnte Teräsvuori nur gemeint haben, als er zu Liikanen sagte, sie wüssten beide, warum Noora ermordet worden war? Zu dumm, dass ich für diese Äußerung keine Zeugen hatte.
«Wie gut kannten sich Noora und Teräsvuori eigentlich?
Ihre Kinder sind hier geblieben, als Sie zu ihm nach Ruoholahti gezogen sind, nicht wahr?»
«Allerdings! Sie halten mich bestimmt für eine Rabenmut-ter, weil ich meine Kinder verlassen und eine kleine Weile nur an mich gedacht habe! Glauben Sie, es hätte mir Spaß gemacht, jahrelang nichts zu sein als Kaukos Sekretärin und das Dienstmädchen für ihn und die Kinder? Mutti hier und Mutti da, wo sind die Cornflakes und die frischen Socken. So dürfte ich nicht reden, natürlich darf ich nicht sagen, wie sehr Nooras Allüren mich auf die Palme gebracht haben. Das Fräulein konnte sich nicht mit Banalitäten wie Spülen oder Bügeln abgeben, weil sie sich darauf konzentrieren musste, den richtigen Ausdruck in eine Bewegung ihrer Fingerspit-zen zu legen. Es ist leicht, die Eisprinzessin zu spielen, wenn man vom vierten Lebensjahr an zum Eisstadion chauffiert wird! Nie hat sie sich bedankt, nur ihre Trainer hat sie in den höchsten Tönen gelobt, aber nie ihre Mutter, nicht ein einziges Mal …» Ihre Stimme bebte, die Augen waren wieder stumpf geworden und füllten sich mit Tränen.
«Ich trau mich, so zu reden, es ist mir egal, was die Leute von mir denken! Ich habe meine Strafe schon bekommen …»
Sie brach in lautes Heulen aus, das Ulrika Weissenberg herbeirief.
«Müssen Sie Hanna derart aus der Fassung bringen?», fuhr sie mich an. «Die Polizei könnte wahrhaftig pietätvoller sein. Man kommt nicht unangemeldet in ein Trauerhaus! Sie sollten …»
Ein lautes Klirren in der Küche unterbrach sie.
«Vesku steht vorm Fenster! Er will uns alle umbringen!», schrie Hanna gellend. Sie sagte noch mehr, sprach von dem Gewehr im Wohnzimmer, doch ich hörte nicht zu, sondern sprintete, so schnell mein Bauch es zuließ, in die Küche, auf eine Ramboszene gefasst. Doch von Teräsvuori war nichts zu sehen. Die Fensterscheiben waren unversehrt, aber auf dem Fußboden lagen Glassplitter. Offenbar hatte Hanna den Geschirrschrank offen gelassen, das Glas, das sie mit zittrigen Händen hineingestellt hatte, war heruntergefallen und hatte ein paar leere Vasen von der Spüle mitgerissen.
«Alles in Ordnung!», rief ich. «Es war nur ein Glas.»
Doch beim Anblick der zerbrochenen Vasen wurde Hanna vollends hysterisch. Das seien Trophäen von Nooras Wettkämpfen, schrie sie immer wieder und war kaum davon abzubringen, die Scherben aufzusammeln, um sie zu kitten.
«Wo sind Besen und Kehrblech?», rief ich. Ulrika kannte sich im Haushalt der Familie aus, fand auf Anhieb den Be-senschrank, doch statt selbst zu fegen, reichte sie mir die Sachen. Ich machte mich an die Arbeit, es war ja nicht das erste Mal, dass ich im Lauf der Ermittlungen Scherben aufsam-melte. Ulrika bemühte sich vergeblich, Hanna zu beruhigen.
Schließlich probierte sie es auf die altmodische Art mit einer Ohrfeige. Daraufhin kreischte Hanna noch lauter.
«Wissen Sie, ob Hanna nach Nooras Tod beim Arzt war?», rief ich Ulrika zu, die wütend zu sein schien, weil sie die Situation nicht mehr unter
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