Die Toechter der Familie Faraday
Elizas Unfall. All das Schreckliche, was Maggie dieses Jahr erlebt hatte. Was zwischen ihr selbst und Myles geschehen war. Davor konnte man sich nicht schützen. Die Räume im oberen Stockwerk, die diese Woche leer bleiben würden, sprachen Bände davon.
Sie zwang sich umzudenken. Das Schlimmste war doch sicher überstanden. Gut, das Juli-Weihnachtsfest würde hart ohne Maggie, aber sie mussten ihre Entscheidung respektieren. So wie sie auch Sadies Entscheidung respektieren mussten.
Respekt. Verständnis. Vergebung. War das ein und dasselbe? Sie wusste es nicht. Nicht zum ersten Mal entschied sie sich, ihre trüben Gedanken unter einem Berg von Essen und Hausarbeit zu begraben. Sie riss sich vom Fenster los und ging zurück in die Küche.
21
Auf Startbahn fünf des Changi Airport in Singapur schnallte sich Miranda Faraday in ihrem Sitz in der Businessklasse an und sah sich vergnügt in der kleinen Kabine um. Zwölf Stunden bis Heathrow, ein kleiner Abstecher nach Athen, dann eine zauberhafte Woche in einer Villa auf einer der vielen griechischen Inseln, bevor sie nach Irland in Gott-weiß-wasfür-Wetter flog. Warum konnte ihre Mutter nicht aus einer Familie toskanischer Oliven-oder Weinbauern stammen? Miranda liebte Donegal, sie liebte das Haus – das sie, um Juliet zu ärgern, nicht »Seeblick«, sondern »Wolkenblick« nannte -, aber nur in kleinen Dosen.
Der Flug würde angenehm. Wie immer. Sie würde ein wenig lesen, sich einen Film ansehen, einige Stunden dösen. Sie hatte ihr Make-up entfernt und Feuchtigkeitscreme auf die Lippen aufgetragen, eine leichte Creme auf die Augenlider, eine besonders wirksame auf das Gesicht. Sie trug einen weichen Trainingsanzug und Socken aus reiner Baumwolle. Eine Flasche destillierten Wassers stand in Reichweite. Der Champagner, der vor dem Start gereicht wurde, war der einzige Alkohol, den sie während eines Fluges trank. Sie aß klugerweise auch immer nur eine Mahlzeit an Bord. Jetlag konnte man mit ein wenig Selbstdisziplin gut vermeiden. Und das war, wie sie ihren Auszubildenden gerne voller Stolz erzählte, ihre zweite Natur. Flugbegleiterinnen mussten kein Verfallsdatum haben. Man musste nur auf sich achten, gepflegt und in Form bleiben, dann konnte man viele Jahre fliegen.
Zumindest war das ihre Absicht gewesen. Aber jetzt kam sie in den Genuss beider Welten – sie verbrachte ein halbes Jahr im Ausbildungszentrum in Singapur, hatte dann zwei Monate frei und war die übrigen Monate für die erste oder die Businessklasse auf den besten Flügen zwischen Singapur und den Golfstaaten verantwortlich. Abwechslungsreich, interessant und ein Gewinn für ihr Sozialleben. Ihre letzten drei Verehrer (den Begriff »Freund« mochte sie nicht, und »Partner« bedeutete etwas viel zu Langfristiges) hatte sie auf diesen Flügen kennengelernt. Der Ausdruck »Liebhaber« hätte sicher auch gepasst, aber was sich an den Ausdruck »Verehrer« knüpfte, gefiel ihr weitaus besser: teure Geschenke, romantische Dinner, wehmütige, aber rasche Abschiede …
Sie nahm einen Schluck Champagner und sah aus dem Fenster auf die Startbahn, nahm träge den Anblick des diesigen, orangefarbenen Lichts der Tropen wahr, das sie so liebte.
»Madam? Noch ein wenig Champagner?«
»Oh, danke, junger Mann. Noch ein kleines Schlückchen könnte sicher nicht schaden.«
»Sie haben es gut«, flüsterte er ihr zu, als er ihr nachschenkte und eine druckfrische Ausgabe der aktuellen International Herald Tribune auf das Tischchen legte.
»Wenn Sie Ihre Karten bei mir richtig ausspielen, werden Sie eines Tages hier sitzen«, flüsterte sie zurück. Der junge Steward war einer ihrer ersten Auszubildenden gewesen und kannte ihre Angewohnheiten genau – Champagner und Zeitungen vor dem Start gehörten dazu. »Ist die Maschine voll?«
»Zu neunzig Prozent.« Er senkte die Stimme noch mehr. »In der Ersten ist ein Platz frei. Ich kann Sie umsetzen, wenn …«
»Ich sitze hier bestens.«
»Sind Sie verrückt? Aber ich hätte auch noch einen Platz in der Economy …«
Sie lachte. »Darling, ich bin in den zwanzig Jahren, die ich nun schon fliege, nicht zu Verstand gekommen, und ich werde das nicht auf einen Schlag ändern.«
Dann schloss sie die Augen. Glen hätte auch ohne seine Ausbildung verstanden, dass ihre Unterhaltung damit beendet war. Er wandte sich dem nächsten Passagier zu und begrüßte ihn mit einem strahlenden Zahnpastalächeln.
Miranda spürte, wie sich jemand näherte, und öffnete ein Auge
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