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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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halb. Ein Geschäftsmann, das war kaum überraschend. Etwa in ihrem Alter, Ende vierzig, vielleicht ein wenig älter. Ein schneller prüfender Blick. Kein Ehering, obwohl auch das nichts mehr zu bedeuten hatte. Sein Anzug hatte eine hervorragende Passform. Vorsichtig zog der Mann sein Jackett aus. Der Steward war augenblicklich zur Stelle, um es aufzuhängen. Ein freundliches Danke. Ein gutes Zeichen. Ein Mann mit Manieren und Intelligenz. Miranda selbst hatte sich allzu häufig ein überhebliches oder gar kein Danke anhören müssen, ganz zu schweigen von herrischen Befehlen, schmieriger Anmache oder unverhohlenem Begrapschen.
    Wenn es einen Job mit einem Imageproblem gab, dann den der Flugbegleiter. Bessere Kellner, Getränkeschubse, sexbesessene Männer und Frauen – sie hatte im Laufe der Jahre alle Vorurteile am eigenen Leib erfahren müssen. Wenn die Passagiere wüssten, was hinter der Fassade aus perfektem Make-up und breitem Lächeln vor sich ging. Manchmal war sie fast so etwas wie ein Psychiater. Miranda konnte die Persönlichkeit eines Menschen in Sekunden einschätzen. Im Laufe eines langen Fluges sah man, wie so manche Maske fiel. Der arrogant-brüske Geschäftsmann, der nach einem Brandy zuviel mit verzerrtem Gesicht den Kopf sacken ließ. Die toughe Geschäftsfrau, die drei Stunden lang über Papieren und Tabellen gebrütet hatte und dann mit einem kleinen Kuscheltierchen einschlief, das sie aus ihrer Designer-Handtasche gezogen hatte. Erstaunlich viele Männer schliefen mit der Hand in der Hose ein. Es musste wohl irgendwie tröstlich sein. Vor allem aber vollkommen abtörnend, gelinde gesagt.
    Die Flugbegleiter waren ebenso verschieden. Einige kamen direkt von der Universität. Andere hatten früher als Model gearbeitet, als Schauspieler, Künstler. Einige wollten bloß um die Welt reisen. Wieder andere, so wie Miranda, wollten bloß fliehen.
    Das Sozialleben war das Beste an dem Job. Miranda hatte in den letzten Jahren sehr viel Spaß gehabt. Flugzeuge waren wie Dating-Clubs über den Wolken. Miranda hatte einmal gelesen, dass Marilyn Monroe ihren Sexappeal ganz bewusst einund ausschalten konnte. Miranda konnte das auch. Auf manchen Flügen war sie die vollendete Flugbegleiterin, höchst professionell. Aber wenn sie in der Stimmung war, oder wenn ein zweitägiger Aufenthalt vor ihr lag oder ihr nach Aufmerksamkeit war, konnte sie einen Hebel umlegen. Dann bemühte sie sich bei der Begrüßung der Passagiere um besonderen Augenkontakt, machte eine kokette Bemerkung, schaute ein klein wenig länger auf die Bordkarte. Natürlich nur bei Passagieren der Business-und der ersten Klasse. Am Ende eines Fluges wurden dann Telefonnummern ausgetauscht, manchmal auch schon zu Beginn. Manchmal bekam sie sogar mehr als zwei oder drei Nummern, doch Miranda war niemals dem Mile High Club beigetreten. Als Dame musste man einen gewissen Standard wahren.
    Das Gehalt war gut, aber Miranda hatte schon früh festgestellt, dass es für den Schmuck, den sie tragen wollte, und die Kleidung, die ihr gefiel, immer noch nicht reichte. Die Entdeckung, dass reiche Geschäftsmänner hübschen Flugbegleiterinnen gerne im Gegenzug für die angenehme Gesellschaft teure Geschenke machten, und manchmal mehr noch als das, war sehr beglückend gewesen. Reiche Männer hatten auch Häuser auf der ganzen Welt und stellten diese liebend gerne ihren Freunden zur Verfügung. Reiche Männer fern von zu Hause hatten es auch gerne, wenn eine schöne, smarte und gepflegte Frau mit ihnen essen ging, sie abends ins Theater oder tagsüber zu den Rennen begleitete – Miranda schätzte das Hongkong Derby am meisten. Das alles hatte ihr großen Spaß gemacht, als es vor Jahren begonnen hatte, und das tat es immer noch. Und alles ohne Verpflichtungen.
    Ihre Schwestern waren natürlich entsetzt. Miranda hatte ihnen genug Informationshäppchen zugeworfen, um ihnen den Mund wässrig zu machen, und dann den Spieß umgedreht. Sie lebte nach dem Motto »Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß«. Sie fühlte sich so viel älter und weltgewandter als die anderen. Das war sie ja auch. Juliet war zwar älter an Jahren, aber sie hatte immer noch etwas Unschuldiges an sich. Eliza und Miranda hatten nie viel gemein gehabt. Miranda fand ihre Schwester viel zu humorlos. Außerdem neigte sie dazu, über andere zu urteilen. Clementine war anders – sie war zwar so ehrgeizig wie Eliza, aber Miranda hatte immer eine Schwäche für ihre jüngste Schwester gehabt.

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