Die Toechter der Familie Faraday
nur weil sie Kinder wollte? Eliza wollte wirklich keine Kinder. Vielleicht hatte Maggie all ihre mütterlichen Instinkte befriedigt. Vielleicht lag es an dem Wissen, dass ihr Körper nach dem Unfall nicht mehr stark genug wäre, ein Kind zu gebären. Oder dass die Erwähnung von Kindern Mark gegenüber alles ändern würde. Wie auch immer, sie war sich sicher.
Eliza hatte schließlich das Schweigen durchbrochen. »Du fehlst mir«, hatte sie am Telefon zu Louisa gesagt. »Mir fehlt jemand, der mir die Meinung geigt.«
»Aber du hörst doch sowieso nicht auf mich.«
»Das stimmt. Kannst du mich denn so akzeptieren, wie ich bin?«
Das hatte Louisa getan. Sie waren wieder beste Freundinnen geworden. Aber mit Mark war Louisa immer noch nicht einverstanden.
Eliza lag im Bett und sah zu, wie Mark sich anzog. Ein Abschiedskuss, eine zarte Berührung, ein »Bis bald, mein Liebling«, dann war er fort. Sie zog sich langsam an, machte sich einen Kaffee, ließ ihn aber stehen. Sie brauchte frische Luft.
Normalerweise ging sie zum Strand. An jenem Abend aber ging sie in die entgegengesetzte Richtung, an den großen Häusern entlang, unter den Bäumen. Sie liebte die Gegend, das Nebeneinander von gewöhnlichen Ziegelbauten und prachtvollen alten Villen, dazu der Hauch der See in der Luft. In der einen Richtung lag eine Reihe von Cafés, in der anderen Restaurants, und dazwischen alles, was sie brauchte: eine Reinigung, eine Drogerie, eine Bäckerei und ein Schuster. In ihrem Viertel standen eine katholische Kirche, eine Synagoge und eine Versammlungshalle der Kirche der Adventisten. Wie Mark einmal gesagt hatte: Sollte das Ende der Welt nahen, bot sich ihr reichlich Zuflucht.
Sie fand sich vor der katholischen Kirche wieder. Sie wollte eigentlich weitergehen, vielleicht sogar bis zu dem kleinen Einkaufszentrum, aber zu ihrem eigenen Erstaunen ging sie durch das Tor, den Schotterweg entlang, hinein durch die Seitentür. Sie war zum ersten Mal in der Kirche. Es war kühl und dunkel, die Luft noch geschwängert vom Weihrauch einer Messe. Der Geruch war ihr aus Kindertagen vertraut. Sie ertappte sich dabei, wie sie sich bekreuzigte. Es war schon heuchlerisch genug, überhaupt in eine Kirche zu gehen, da musste sie nicht auch noch sämtliche Rituale vollziehen. Sie blieb an der hinteren Reihe stehen und ließ sich mühsam auf der hölzernen Bank nieder. Ringsum saßen Gläubige. Der Priester nahm die Beichte ab. Aus einem der altmodischen Beichtstühle kam ein Mann im Alter ihres Vaters, dann nahm bald darauf eine Frau in Elizas Alter seinen Platz ein.
Es war lange her, dass Eliza zur Messe gegangen war, ganz zu schweigen von der Beichte, aber die Gebete fielen ihr augenblicklich wieder ein. Sie hätte sich in die Schlange einreihen und warten können, bis es an ihr war, in den Beichtstuhl zu treten und zu sprechen.
»Vergib mir, Vater, denn ich habe gesündigt. Meine letzte Beichte liegt fünfundzwanzig Jahre zurück.«
»Was ist deine Sünde?«
»Ich habe eine Affäre.«
»Mit wem?«
»Mit einem verheirateten Mann. Der Liebe meines Lebens.«
»Bereust du?«
»Nicht im Geringsten. Ich würde es immer wieder tun.«
»Hast du weitere Sünden zu beichten?«
»Ich erzähle seit zwanzig Jahren eine Lüge.«
»Wem?«
»Meiner Nichte.«
»Worüber belügst du sie?«
»Über meine Schwester Sadie.«
»Kannst du einen anderen Weg gehen?«
»Ihr die Wahrheit sagen? Die Familie noch mehr entzweien? Danke, nein.«
Sie hatte in letzter Zeit oft an Sadie gedacht. Das lag an der Jahreszeit, denn eines ihrer Weihnachtsfeste rückte näher. Sie durchlebte das jedes Jahr um diese Zeit. Aber noch etwas hatte das ausgelöst. Vor fünf Monaten hatte Eliza beim Einkaufen in der Bourke Street Mall geglaubt, Sadie zu sehen. Eine Frau in ihrer Größe, mit der gleichen Figur und mit dunkelbraunem Haar. Sie hatte so ausgesehen, wie Eliza sich Sadie heute vorstellte, zwanzig Jahre später. Sie hatte sie angesprochen. »Sadie?«
Die Frau hatte sich nicht umgedreht. Eliza war ihr gefolgt und hatte dabei ihr Bein verflucht. Die alte Eliza wäre im Nu bei ihr gewesen. Die Frau war um die Ecke gebogen. Eliza hatte sie vorübergehend aus den Augen verloren. Glücklicherweise war sie vor einem Schuhgeschäft stehen geblieben.
»Sadie.« Eliza hatte der Frau eine Hand auf den Arm gelegt. Sie hatte sich umgedreht. Aus der Nähe hatte sie Sadie überhaupt nicht ähnlich gesehen. »Es tut mir leid. Ich habe Sie mit jemandem verwechselt.« Mit
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