Die Toechter der Familie Faraday
Liebesaffäre? Beides?
Sie waren seit beinahe vierzehn Jahren zusammen. Sie sahen sich mindestens zweimal pro Woche. Mark hatte sie dazu ermutigt, vom Fitnesstraining auf Lebenscoaching umzusatteln. Eliza hatte auch in ihrem neuen Beruf ihre Erfüllung gefunden. Er beruhte schließlich auf denselben Prinzipien, nur dass sie ihre Klienten nun ermutigte, ihr ganzes Leben diszipliniert, organisiert und fokussiert anzugehen, und nicht nur die körperliche Fitness. Die Arbeitszeiten waren auch besser. Sie hatte viermal mit Mark in Urlaub fahren können, wenn auch nur für wenige Tage. Sie fragte ihn nie, was er seiner Frau und seinen Söhnen erzählte, wie er seine Abwesenheit erklärte. Sie wollte es nicht wissen. Sie fragte ihn auch nie, was für Pläne er mit seiner Frau hatte, da seine Söhne nun alt genug waren, das Haus zu verlassen. Nicht, weil ihr vor der Antwort gegraut hätte. Sie wollte es einfach nicht wissen. Was sie hatten, genügte ihr.
Eines hatte sich nach dem Unfall verändert. Sie war dem Tod so nahe gewesen, so nahe daran, alles zu verlieren, dass sie härter geworden war. Das war ihr bewusst. Ihr war bewusst, dass es nur eine Chance auf Glück gab, eine Chance auf ein erfülltes Leben, und in den langen, einsamen, qualvollen Stunden im Krankenhaus und später in der Physiotherapie hatte sie sich selbst ein Versprechen gegeben. Wenn sie künftig etwas wollte, würde sie alles dafür tun. Und Mark hatte sie immer gewollt und geliebt. Und er liebte sie. Er sagte es ihr oft. Auch, dass er sie schön fand. Ihre Entschlossenheit liebte. Ihren Mut. Ihre Intelligenz. Ein-oder zweimal hatte er versucht zu erklären, warum er seine Familie damals nicht verlassen hatte, doch sie hatte das Gespräch abgebrochen. Sie wollte keine Einzelheiten wissen. Sein Leben mit Frau und Kindern war ein Terrain, das sie nicht betreten wollte.
Sie und Mark hatten etwas, das andere Paare nicht hatten. Dauerhafte Leidenschaft. Eine Leidenschaft, die niemals unter Diskussionen darüber litt, wer den Müll nach draußen tragen musste, die Milch aufgebraucht hatte oder an der Reihe war, die Kinder zum Schwimmen zu fahren. Sie mussten sich nicht bei Erkältung oder Grippe pflegen. Nicht über Kosten für Renovierungsarbeiten oder Auslandsreisen streiten. Sie genossen das Sahnehäubchen auf einer Beziehung, ohne Alltag und Überdruss. Und wer weiß – vielleicht hätten sich Mark und seine Frau wirklich getrennt, wenn Eliza nicht etwas Farbe in sein Leben gebracht hätte.
Nur eine Person wusste von Mark. Elizas beste Freundin in Melbourne, Louisa, eine ehemalige Klientin. Sie hatte Eliza eines Nachmittags unangemeldet besucht, als Mark gerade ging. Was vorher geschehen war, war zu offensichtlich.
Zu Elizas eigener Überraschung hatte sie Louisa an diesem Nachmittag alles erzählt. Louisa war entsetzt und absolut dagegen gewesen. Es spielte keine Rolle, wie großartig der Sex war, hatte sie gesagt. Oder ob Eliza Mark für ihren Seelengefährten hielt. »Mich macht es wütend, dass du seinetwegen auf Sparflamme lebst.«
»Das tue ich nicht. Mein Leben ist gut.«
»Du hättest längst einen anderen Mann kennenlernen können.«
»Ich will keinen anderen Mann.«
»Eliza, er ist verheiratet. Er hat zwei Kinder. Was ist mit dir und Kindern?«
»Ich habe Maggie.«
»Maggie ist deine Nichte. Nicht deine Tochter. Du weißt nicht, was dir entgeht. Es macht mich traurig, dass du das niemals erleben wirst. Wir Frauen sind doch dafür geboren, Mutter zu werden.«
»Mein Leben ist also wertlos?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Hast du wohl. Genau das hast du gesagt. Das muss ich gleich meinen Schwestern erzählen. Meinen ebenfalls kinderlosen und bemitleidenswerten Schwestern, mit Ausnahme von Clementine. Gott sei Dank hat Clementine sich entschieden, mit sechzehn schwanger zu werden, sonst wären wir ein Haufen trauriger alter Weiber.«
»Ich sage das doch nur, weil mir an dir liegt. Du musst den Tatsachen ins Auge sehen. Du bist doch die Expertin in Sachen Leben. Was, wenn eine deiner Klientinnen zu dir kommen und erzählen würde, dass sie seit vielen Jahren eine Affäre mit einem verheirateten Mann hat, ohne Aussicht darauf, dass sich das jemals zu einer wirklich erfüllenden Beziehung entwickeln kann? Was würdest du ihr raten?«
Nach dieser Unterredung hatte sie fast einen Monat lang nicht mit Louisa gesprochen. Eliza war zu wütend gewesen. Wie konnte Louisa sich ein solches Urteil erlauben? Von sich auf andere schließen,
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