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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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nicht viel zu sagen, was? Das ist das Problem mit der Jugend von heute, so mit sich selbst beschäftigt, dass sie nicht einmal weiß, wie man Konversation führt.«
    »Das würde ich ja, wenn Sie mich zu Wort kommen ließen.«
    Dolly klatschte in die Hände. »Halleluja, noch mehr Schlagfertigkeit. Also, was machen Sie? Wenn Sie nicht den Gutmenschen spielen und alte Damen wie mich belästigen?«
    »Ich bin Mathematikerin.«
    »Mathelehrerin?«
    »Nein, Mathematikerin. Ich arbeite mit Zahlen, in großen Konzernen.«
    »Sie sind also Buchhalterin? Warum sagen Sie das nicht gleich? Und wo arbeiten Sie im Moment?«
    »Im Moment arbeite ich nicht. Ich habe eine berufliche Pause eingelegt.«
    »Wie können Sie eine berufliche Pause einlegen? Sie sehen gar nicht alt genug aus, um überhaupt einen vernünftigen Beruf zu haben, und eine Pause brauchen Sie schon gar nicht. Wie alt sind Sie denn? Fünfzehn?«
    »Sechsundzwanzig.«
    Dolly schnaufte höhnisch. »Lügnerin. Also, was haben Sie zuletzt gemacht? Warum haben Sie aufgehört?«
    Maggie konzentrierte sich ganz auf die Zeitungen. Dann entdeckte sie einen Korb mit sauberer Wäsche. »Soll ich auch die Wäsche falten?«
    »Da hab ich wohl einen wunden Punkt getroffen, was? Hat man Sie gefeuert? Wo war das? Hier? Oder in Tansania oder Transsylvanien oder woher, sagte Dora, kommen Sie noch gleich?«
    »Tut mir leid, Dolly, aber über mein Privatleben möchte ich nicht sprechen.«
    Dolly grinste breit. »Sie mögen sich ja sehr um Gelassenheit bemühen, aber Sie haben Feuer, das sehe ich doch. So was gefällt mir. Sie fangen an, mir zu gefallen. Also, was ist passiert? Haben Sie die Bücher frisiert? Mit Ihrem Boss geschlafen?«
    »Ich möchte darüber nicht sprechen.«
    Dolly beugte sich vor, griff nach der Broschüre der Agentur und las laut vor. »›Gesellschaft und anregende Gespräche in Ihrem trauten Heim‹. Ich werde diesen Geneviève und seine Mutter wegen Vorspiegelung falscher Tatsachen verklagen. Da hatte ich ja schon bessere Gespräche mit meinem Sofakissen.«
    Maggie fand allmählich Gefallen an der Situation. »Er heißt Gabriel, Dolly, und das wissen Sie genau. Immerhin hat er Sie ja früher auch mal besucht.«
    »Allerdings. Und er war genauso renitent wie Sie. Wenigstens hat er sich mit mir unterhalten. Meistens zwar nur über Politik, aber besser als nichts. Sie kann ich ja nicht einmal dazu bewegen. Ich glaube, ich sollte Sie wieder rausschmeißen.«
    Maggie gab sich nicht länger den Anstrich der Beschäftigung.
    Dolly fuhr fort. »Dann lasse ich Sie wieder kommen. Irgendwie muss sich eine Frau in meinem Alter ja unterhalten. Mir gefällt, dass Sie immer wiederkommen. Das spricht für einen starken Charakter. Also, was ist passiert? Bei meiner Frage hat sich Ihr Gesichtsausdruck vollkommen verändert. Sie versuchen, etwas zu verbergen, aber ich glaube, im Grunde wollen Sie darüber sprechen.«
    Maggie setzte sich auf die Sessellehne. Auf dem Sitz stapelten sich Bücher mit Kreuzworträtseln. »Haben Sie als Psychologin gearbeitet?«
    »Natürlich nicht. Glauben Sie, ich würde dann in so einem Loch hausen? Also, was ist passiert? Nein, sagen Sie es mir nicht. Lassen Sie mich raten.«
    »Ich erzähle es Ihnen.«
    »Nein, nein, ich will raten. Beschäftigen Sie mich, ich bin eine alte Frau.«
    »Sie müssen nicht raten. Ich erzähle es Ihnen gerne. Nein, gerne nicht, aber ich erzähle es Ihnen.«
    »Dann mal los. In allen Einzelheiten bitte. Und schön dick auftragen.«
    Maggie erzählte ihr, was geschehen war. Alle Details kehrten ihr ins Gedächtnis zurück. Der Konferenzraum, die Sitzreihen, das Gemurmel der zweihundert Anwesenden. Das leichte Fiepen aus dem Mikrofon, als sie aufgestanden war, um ihren Bericht vorzutragen. Dolly war ganz Ohr. »Ich hatte gerade die Handelszahlen für das aktuelle Geschäftsjahr verkündet und den Gesellschaftern erklärt, dass dieser Gewinneinbruch bedeuten würde, dass wir eine unserer regionalen Niederlassungen schließen müssten. Und dann …« Maggie hielt inne.
    »Weiter«, sagte Dolly.
    Maggie hatte den Mann zuerst gar nicht weiter beachtet. Geglaubt, er ginge nach draußen, um die Waschräume aufzusuchen oder ein Telefonat zu führen. Sie hatte weitergesprochen. Ihre Tabellen waren eine nach der anderen auf dem großen Bildschirm hinter ihr erschienen. Sie hatte nach unten auf ihre Unterlagen geschaut, dann war plötzlich Stimmengewirr ertönt, Gespräche, Unruhe unter den Zuhörern. Sie hatte aufgesehen, und

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