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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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vor, als wäre sie der Einzelhaft entkommen, es drängte sie zu reden. Sie erzählte Dolly von ihrer Mutter, ihrem Gelegenheitsvater, ihren Tanten, sogar von Sadie. Sie erzählte ihr von Leo und seinen Erfindungen. Sie zeigte Dolly das Foto, das sie immer bei sich trug, von dem Tag, als sie nach London geflogen war und alle – alle außer Sadie – gekommen waren, um sie zu verabschieden. Sie erzählte ihr von dem Haus in Donegal, von den Juli-Weihnachtsfesten. Dass sie sich entschieden hatte, dieses Jahr nicht hinzufahren.
    »Warum nicht?«
    Maggie fand, sie hätte nun wirklich genug von sich preisgegeben. »Können wir zur Abwechslung jetzt nicht mal ein wenig über Sie sprechen?«
    Dolly lachte. »Na schön, ich lasse Sie in Frieden. Morgen ist mein Leben dran.«
    »Soll ich denn so bald schon wiederkommen?«
    »Haben Sie etwas Besseres vor?«
    »Nein. Ich würde gerne wiederkommen. Aber wollen Sie mich nicht erst wieder rausschmeißen?«
    »Heute mal nicht. Ich rufe Giselle an …«
    »Gabriel.«
    »Wie auch immer. Ich werde ihm sagen, dass Sie gar nicht so übel sind, wie ich anfangs gedacht hab.«
    »Kann ich noch etwas für Sie tun, bevor ich gehe? Etwas zu trinken? Noch eine Runde Sauerstoff?«
    Dolly winkte ab. »Verschwinden Sie, bevor Sie meine Gunst überstrapazieren. Und hören Sie auf, sich wegen dieses Mannes die Schuld zu geben. Seien Sie doch ehrlich. Sie wollten aus London weg, aber Sie müssen sich überlegen, was Sie als Nächstes tun wollen.«
    Dazu gab es nichts zu sagen. Sie hatte vollkommen recht. Draußen war es noch stickiger geworden. Trotzdem wollte Maggie zu Fuß gehen. Sie musste über das, was Dolly gesagt hatte, nachdenken. Dolly hatte sehr viel falsch verstanden. Oder etwa nicht?
    Maggie ging die Tenth Avenue entlang, dicht an den Häusern, auf der Suche nach Schatten. Sie kam zu einem kleinen Park und ging hinein. Es war keine richtige Grünanlage, vielmehr eine Hundewiese mit zwei abgetrennten Bereichen – einer für kleine, einer für große Hunde. Viele Hunde tummelten sich dort nicht. Es war zu heiß für Mensch und Tier. Maggie entdeckte eine leere Bank am Zaun, überschattet von einem dürren Baum. Sie setzte sich, lehnte den Kopf zurück und schaute durch die Blätter auf die Bürogebäude ringsumher. Sie sah sich selbst darin, in ihrem Büro-Outfit, an ihrem Computer, wie sie Seiten voller Zahlen prüfte und sich mit den Geschäftsführern besprach. Kompetent. Kontrolliert.
    Klaustrophobisch.
    Dolly hatte recht. Sie hatte genug von ihrem Job, ihrem Leben, London und Angus gehabt. Sie hatte schon lange vorher etwas an ihrer Situation ändern wollen. Was hatte sie davon abgehalten? Der Gedanke an ihre Familie? Angst vor der Reaktion der anderen? Sie hätten sich natürlich Sorgen gemacht. Denn so etwas entsprach ihr nicht. Alle waren daran gewöhnt, dass sie erfolgreich war und beeindruckende Leistungen brachte, und nicht, dass sie allem den Rücken kehrte.
    Sie war froh, dass sie dieses Jahr eine gute Ausrede für Donegal hatte. Natürlich hätte sie die anderen gerne gesehen. Sie liebte ihre Familie. Sie liebte diese Treffen. Aber sie war noch nicht bereit, sich ihren Fragen zu stellen, nicht en masse. Es war am Telefon schon schwierig genug: Was wollte sie als Nächstes tun? Hatte sie auch bestimmt die richtige Entscheidung getroffen? All diese Fragen waren Ausdruck von Liebe und Fürsorge, aber sie waren ihr dennoch zu viel.
    »Sie behandeln dich wie eine Spielzeugpuppe«, hatte Angus einmal gesagt, nachdem eine Flut von Anrufen wegen etwas so Simplem wie ihrer neuen Frisur eingegangen war. »Warum kümmern sich deine Verwandten nicht um ihren eigenen Kram?«
    Sie hatte sie energisch verteidigt. Aber vielleicht hatte er irgendwo recht.
    »Du hast nicht nur eine Mutter, du hast gleich vier von der Sorte. Aber nur weil du als Kind in ihrer Mitte gelebt hast, besitzen sie doch keine Eigentumsrechte an dir. Du musst dich ab und zu auch mal gegen sie wehren, Maggie.«
    Das wollte sie aber nicht. Sie schätzte ihre Meinungen und Ratschläge. Oder nicht?
    Sie rieb sich die Nase. Sie bedauerte es nicht, ihre Stelle aufgegeben zu haben. Sie bedauerte die Umstände, die dazu geführt hatten. Aber war sie im Geheimen nicht sogar dankbar, dass sich ihr eine Ausflucht geboten hatte? Wenn sie ihre Kündigung ohne Grund eingereicht hätte, hätte es einen Aufschrei gegeben: von ihren Arbeitgebern, ihrer Familie, Angus. Besonders von ihren Tanten. Ohne diesen entsetzlichen Tag hätte sie

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