Die Toechter der Familie Faraday
war. Maggie war sehr stolz auf ihre Mutter, aber wenn sie ganz ehrlich war, hatte sie Clementines Arbeit nicht auch manchmal gehasst? Ihr kamen Mirandas Worte in den Sinn. Dass Clementine nur dann Mutter war, wenn es ihr passte. Stimmte das?
»Als das da in London passiert ist, die Sache mit dem Mann und mit Angus …«
Clementine nickte.
»Wärst du gekommen, wenn Miranda es nicht geschafft hätte?«
»Natürlich. Wir hätten dich so etwas doch nicht allein durchstehen lassen.«
»Wir?«
»Wir alle. Ich, Leo, deine Tanten. Ich hätte dich mit zu mir nach Hobart geholt, aber du warst ja schon in New York, ehe wir überhaupt begriffen hatten, was geschehen war.«
»Du hättest mich nach Hause geholt?«
»Wenn du das gewollt hättest, ja.«
Nach Tasmanien zu fahren, war Maggie überhaupt nicht in den Sinn gekommen. Wie es wohl wäre, wieder in ihrem alten Zuhause zu sein, umgeben von so viel Natur? Das Wasser, die Berge, die reine Luft, die dramatischen Sonnenuntergänge. In der Nähe ihrer Mutter zu sein. Doch sie wäre ja nicht bei ihr, sondern in der Antarktis.
Clementine erriet ihre Gedanken. Sie strich Maggie das Haar aus der Stirn. »Ich fahre erst in vier Monaten, Maggie. Du hast also noch viel Zeit, dich zu entscheiden. Und wenn du willst, dass ich zu Hause bleibe, mache ich das.«
»Das meinst du ernst, oder?«
»Natürlich meine ich das ernst.«
Zu ihrer beider Überraschung fing Maggie an zu weinen.
Clementine setzte sich auf und zog sie in ihre Arme. »Maggie, was ist denn? Warum weinst du denn?«
»Ich hatte gedacht, du würdest Nein sagen.«
»Warum sollte ich denn Nein sagen? Du bist doch meine Tochter. Du bedeutest mir mehr als alles andere auf der Welt.«
»Wirklich?«
Clementine lachte. »Maggie! Natürlich. Woher kommt das denn alles? Was haben dir meine lieben Schwestern da eingeflüstert?«
»Das waren nicht nur sie. Ich konnte nicht schlafen. Ich habe nachgegrübelt …« Über so vieles. Sadie. Die Tagebücher. All die Lügen. Wenn sie doch mit Clementine offen über alles sprechen könnte.
Clementine strich ihr wieder übers Haar. »Maggie, du bist müde, das sehe ich. Du hast in letzter Zeit viel mitgemacht und hast gerade deinen Verlobten in die Familie eingeführt. Das würde jeden normalen Menschen umhauen, sogar dich. Würdest du mir also einen Gefallen tun?«
Maggie nickte.
»Dann hör auf, so viel nachzudenken. Entspann dich ein wenig und versuch zu schlafen. Möchtest du hierbleiben? Ich hole dir noch ein Kissen.«
»Nein, ich gehe wieder in mein Bett.« Sie glitt unter der Decke hervor, dann hielt sie inne. »Macht es dir etwas aus, dass ich dich Clementine nenne? Oder wäre es dir lieber, ich nenne dich Mum?«
»Du kannst mich nennen, wie du magst.«
»Dann bleibe ich vielleicht mal eine Weile bei Mum.«
»Dann also Mum.«
Maggie umarmte sie fest. »Ich liebe dich.«
»Und ich liebe dich.«
»Wie viele Mal?«
Clementine lächelte. »Das weißt du genau. Sechsundzwanzig Mal. Und jetzt geh ins Bett.«
Maggie war kaum eingeschlafen, da wurde sie schon wieder wach. Ein Auto quälte sich geräuschvoll den steilen Abhang zu ihrem Haus hinauf. Sie stand auf und sah aus dem Fenster. Es war der orangefarbene Lieferwagen eines Kurierdienstes.
Als sie nach unten kam, stand Leo schon im Bademantel an der Tür. »Ich bin eben angerufen worden, dass der Kurier auf dem Weg ist«, erklärte Leo ihr leise. »Mein Handy hat ausnahmsweise funktioniert. Ein Wunder. Unglaublich effiziente Firma. Ich habe gesagt, sie sollten es auf dem schnellsten Weg senden, egal, was es kostet. Sie müssen eine Rakete losgeschickt haben.«
Der Kurier stieg aus dem Wagen, kam auf sie zu und reichte ihnen den Umschlag. Leo quittierte. Maggie hätte ihm den Umschlag am liebsten aus der Hand gerissen. Leo wollte ihn gerade öffnen, da erschien Miranda.
»Was treibt ihr beiden denn da?«
»Das kommt von meinem Anwalt aus London«, sagte Leo nach kurzem Zögern. »Es geht um ein neues Patent für die Rasenmähererfindung.« Leo klemmte sich den Umschlag unter den Arm. »Maggie, warum ziehst du dich nicht an, und dann machen wir beide einen kleinen Morgenspaziergang? Wir sollten uns ein wenig unterhalten, meinst du nicht?«
Sie wollten gerade aufbrechen, als Gabriel in schwarzen Jeans und einem blauen Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln erschien.
»Wir gehen ein wenig spazieren. Willst du mit?«, sagte Leo zur Begrüßung.
»Sicher, gerne«, erwiderte Gabriel.
»Und der Bericht?«, flüsterte
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