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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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daran? Nach Tessas Tod musste er seinen fünf Töchtern alles sein, Mutter und Vater. Das finde ich sehr bewundernswert.«
    »Er spricht noch immer sehr viel über sie, oder? Du wirst es ja morgen Abend auf den Filmen sehen. Sie muss eine recht ungewöhnliche Person gewesen sein.«
    Maggie hätte dem liebend gerne zugestimmt und gesagt: Ja, Tessa war eine wunderbare Frau, und ihre Tagebücher beweisen es.
    Gabriel bemerkte ihr Zögern. »Du siehst das nicht so?«
    Sie wog ihre Worte sorgfältig ab. »Ich bin mir nicht mehr sicher. Ihre Tagebücher entsprechen diesem Bild nicht ganz.« Sie musste endlich darüber sprechen. »Hast du jemals Tagebuch geführt, Gabriel?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß ja, was ich denke. Das muss ich nicht noch schwarz auf weiß vor mir sehen.«
    »Aber wenn du so etwas schreiben würdest, dann wären das doch deine wahren Gedanken, oder? Dein wahres Ich? Das würde dich doch so zeigen, wie du wirklich bist?«
    »Natürlich. Sicher würde man sich selbst etwas vormachen, manches ein wenig beschönigen, aber die Wahrheit würde sich schon irgendwie zeigen.«
    »Das habe ich auch immer gedacht. Aber wenn das so ist, dann war Tessa überhaupt nicht so, wie Leo sie mir mein Leben lang geschildert hat. Die Tessa, von der er meiner Mutter und meinen Tanten all die Jahre erzählt hat und deretwegen wir unsere Juli-Weihnachtsfeste feiern, dieses Ferienhaus haben, all das.« Maggie versuchte, ihren Eindruck in Worte zu fassen. »Ich hatte geglaubt, es wäre eine Ehre, ihre Tagebücher lesen zu dürfen, Gabriel. Meine Großmutter so intim kennenzulernen.«
    »Und das ist es nicht?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, ich hätte die Tagebücher niemals gelesen und niemals herausgefunden, wie sie wirklich war. Sie war selbstsüchtig und arrogant. Auf jeder einzelnen Seite geht es nur um sie. Und wenn sie sich über andere äußert, dann nur in Gemeinheiten, über Leo, über jeden aus ihrem Umfeld.«
    »Aber Leo sagt doch, dass es die ganz große Liebe war.«
    »So sieht er das. Aber ich glaube nicht, dass sie es so gesehen hat.« Sie sagte es nicht laut, aber ihrer Meinung nach hatte Tessa nur einen einzigen Menschen geliebt. Sich selbst.
    »Warum wollte Leo dann, dass du die Tagebücher liest?«
    Gabriel wusste fast alles von ihrer Familie. Es gab also keinen Grund, ihm nicht auch das zu erzählen.
    »Er fürchtet also, dass Bill ihr Vater ist?«
    Maggie nickte. »Sicher hofft er, dass es nicht so ist. Aber ich werde es bald erfahren. Es muss in dem Tagebuch stehen, das ich gerade lese.«
    »Du hast keines der Bücher ausgelassen? Ein paar Jahre überschlagen, einfach weitergeblättert? Ich hätte dem nicht widerstehen können.«
    »Ich musste erst einen Gesamteindruck bekommen, obwohl ich wünschte, ich hätte ihn nicht. Ich wünschte, Leo hätte die Tagebücher wirklich verbrannt, so wie er immer behauptet hat.«
    Gabriels Handy piepte. Er blinkte und fuhr an den Straßenrand. »Tut mir leid, Maggie, darauf habe ich gewartet. Ich muss das kurz lesen.«
    Die Nachricht war von seinem Mitbewohner, dem Schriftsteller. Eine seiner Geschichten war von einer kleinen Zeitschrift für Literatur angenommen worden. »Das freut mich für ihn. Er schreibt, er hätte Sekt für mich aufbewahren wollen, aber nun hat er die Flasche schon mit seiner Freundin leer gemacht.«
    Er steckte sein Handy weg und fuhr wieder los.
    »Was haben deine Mitbewohner denn zu deiner Reise nach Irland gesagt?«
    »Sie sind vor Neid geplatzt und haben sich beklagt, dass ihnen so ein Job nie angeboten wird.«
    Ein Job. Da hatte sie es. Die nüchternen Tatsachen. Sie hatte schon wieder den Fehler gemacht, zu glauben, dass ihm das alles ebenso viel bedeutete wie ihr. Sie kamen auf die Schnellstraße. Endlich keine Schlaglöcher mehr. Gut zum Lesen, dachte Maggie. Je schneller sie es hinter sich brachte, umso besser. Denn darum drehte sich doch alles auf dieser Reise: um Sadie und die Tagebücher, nicht um sie selbst und Gabriel. Sie nahm ihre Tasche vom Rücksitz. Sie hatte die Tagebücher am Morgen hineingelegt und unter einem Schal versteckt.
    »Ich mache mich wohl besser wieder an die Arbeit«, sagte sie.
    »Sicher. Vergnügliche Lektüre.«
    »Danke.« Wenn es nur ein Vergnügen wäre.

    Maggie las während der ganzen Fahrt. Sie unterbrach die Lektüre nur ein Mal, als Gabriel anhielt, um zu tanken und einen Stadtplan von Dublin zu kaufen. Bald schon vergaß Maggie ihre Umgebung, die Städte, an denen sie

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