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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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möglich in Ordnung bringen.«
    »Das verstehe ich, wirklich.« Sie gingen ein Stück, ehe Sadie weitersprach. »Aber ich kann ihn nicht treffen, Maggie. Ich bin vor so langer Zeit gegangen. Ich bin anders geworden, ein anderer Mensch. Es gibt kein Zurück.«
    Sie hatten keine Zeit, um den heißen Brei herumzureden. »Sadie, warum bist du damals gegangen?«
    »Aus vielen Gründen. Und aus noch mehr Gründen kann ich heute nicht zurückkommen.«
    »Du bist wegen der Tagebücher gegangen, oder? Tessas Tagebücher?«
    Sadie blieb stehen. »Du weißt davon? Hat Leo dir das erzählt?« Sie fasste sich an den Hals. Es war die gleiche Geste wie am Vortag.
    Maggie erklärte Sadie alles. Sie erzählte ihr, dass Leo nach New York gekommen war und Maggie gebeten hatte, die Tagebücher zu lesen. Weil er erfahren wollte, ob Sadie Bills Tochter war und sie deshalb fortgegangen war.
    »Das hat er vermutet?« Sadie war aufgebracht. »Als ob es um so etwas gegangen wäre. Leo muss die Tagebücher doch selbst gelesen haben. Er muss genau gewusst haben, warum ich gegangen bin.«
    »Er hat sie niemals gelesen, Sadie. Er hatte zu viel Angst zu erfahren, dass zwischen Bill und Tessa noch etwas war. Und das, hat er gesagt, hätte er nicht ertragen können.«
    Sadies Miene verhärtete sich. »So hat Leo sein ganzes Leben gelebt.«
    Vor einer Woche noch hätte Maggie ihren Großvater verteidigt. Jetzt nicht mehr. Sadie hatte recht. »Ich habe die Tagebücher gelesen, Sadie. Ich bin gestern damit fertig geworden.«
    Sie standen einander gegenüber. »Was war dein Eindruck?«
    »Mein Eindruck?« Maggie zögerte keine Sekunde. »Mein Eindruck war, dass Tessa fürchterlich war, eine böse alte Hexe.«
    Sadie lachte los. Sie hörte gar nicht mehr auf. Nicht, weil Maggies Bemerkung so lustig war, es war eher ein Ausdruck nachlassender Anspannung. »Tja, so kann man es natürlich auch formulieren.«
    »Es tut mir leid, Sadie. Sie war deine Mutter, aber was ich gelesen habe, hat mir gar nicht gefallen. Sie war selbstsüchtig und grausam und eingebildet.« Sie musste es aussprechen. Sie musste sagen, was sie am meisten erschüttert hatte. »Und sie war so schrecklich zu dir. Von Anfang an.«
    »Ja, das war sie.«
    »Dir muss es sehr schlecht gegangen sein. Als du das gelesen hast, konntest du doch nur noch weit weg fliehen.«
    Sadie gab keine Antwort. Das war nicht nötig.
    Sie gingen eine Weile schweigend weiter, bis Sadie wieder das Wort ergriff. »Ich war ja selbst schuld. Ich hätte nicht in Leos Schuppen herumschnüffeln dürfen. Ich hätte die Tagebücher wieder weglegen und sie vergessen oder es den anderen sagen müssen.« Die erste Erwähnung ihrer Schwestern. »Aber ich konnte nicht. Ich wollte sie unbedingt lesen. Ich wollte unbedingt wissen, was meine Schwestern nicht wussten. Und als ich einmal angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören, Maggie. Selbst nach den ersten Seiten, als mir deutlich wurde, dass die Tessa, an die ich mich zu erinnern glaubte, die Tessa, von der Leo immer gesprochen hatte, ein Trugbild war. Eine Fälschung. Dass die Tessa in den Tagebüchern die wahre Tessa war. Keine liebende Mutter, keine fürsorgliche Ehefrau, sondern eine …« Sie suchte nach Worten. »Wie hast du sie eben genannt?«
    »Eine scheußliche, gemeine Hexe.«
    »Ich habe dagegen angekämpft. Sie war doch meine Mutter. Ich habe versucht, sie zu mögen, hinter ihre Worte zu schauen, sie zu entschuldigen – damit, dass sie jung war, dass sie nur ein wenig Dampf ablassen musste. Manchmal habe ich sie fast gemocht, manchmal war sie komisch und geistreich. Gemein zwar, aber sehr scharfsinnig. Sie hat mich sehr an Miranda erinnert. Oder eher umgekehrt.«
    Maggie nickte. »Mich auch«, sagte sie rasch.
    »Es war aufregend, in den Büchern zu lesen. Ich bin so oft wie möglich in den Schuppen gegangen, nur um ein paar Seiten zu lesen – ich habe mir die Tagebücher eingeteilt wie eine besondere Belohnung. Jemand anders hätte vielleicht gleich bis zu seiner Geburt vorgeblättert, aber mir war, als würde ich einen geheimen Roman über meine eigene Familie lesen. Ich wollte die ganze Geschichte verfolgen, sehen, wie sie sich entwickelt, obwohl ich den Ausgang ja kannte. Zumindest hatte ich das geglaubt. Ich hatte zum Beispiel nicht gewusst, dass Bill und Tessa früher ein Liebespaar waren, das war der erste Schock. Und dann erscheint Leo auf der Bildfläche und verliebt sich Hals über Kopf in sie. Es war damals, als könnte ich an der

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