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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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gegenseitig zu trösten, bis eine unter all dem Druck aufgab und mit Freunden wegging, bis ihr auch das zu viel wurde. Sie hetzten fast wieder zurück nach Hause. Draußen war es nicht sicher.
    Ihr Vater wurde über Nacht zu einem anderen. Juliet fiel es am stärksten auf. Als Älteste hatte sie auch am meisten von den Flüstereien ihrer Besucher gehört, die immer verstummten, wenn die anderen Mädchen ins Zimmer kamen. Es war wohl eine Ehre, dass man sie für alt genug hielt zuzuhören: »Der arme Leo und die armen kleinen Mädchen …« Immer und immer wieder.
    Leo versuchte nicht einmal, seinen übermächtigen Kummer zu verbergen. Juliet sah, wie er trauerte, hörte das Weinen, das tief aus seinem Innersten kam. Er war untröstlich. In seltenen Momenten wurde er wieder ihr Vater, war mehr um ihren Verlust als um seinen bekümmert. Doch solche Augenblicke dauerten nicht lange. Der andere, der Mann, der Tessa geliebt hatte, war stärker, unglücklicher. Juliet gab es nicht gerne zu, aber die Wucht seines Kummers hatte sie schockiert. Die Hilflosigkeit, die damit einherging. Die Verzweiflung. Begriff er denn nicht, dass er um ihretwillen stark sein musste?
    Juliet kümmerte sich zunehmend um den Haushalt und die Familie. Damals gab es noch kein System, keine Pläne, keine Anweisungen. Sie machte alles. In den ersten Wochen musste allerdings auch noch niemand kochen. Braten, Eintöpfe, Pasteten, Kuchen, Torten und Kekse wurden regelmäßig vor die Tür gestellt. Leo konnte nicht auf die Straße gehen, ohne dass jemand auf ihn zukam und murmelnd sein Beileid bekundete. Im ersten Monat erschienen jeden Samstagmorgen einige Frauen, mit Putzlappen und Staubtüchern. Sie ignorierten den verstörten Ausdruck auf den Gesichtern der Mädchen und Leos Einwände. Bevor sie überhaupt begriffen, wie ihnen geschah, waren sie alle sechs auf einem Spaziergang. Wenn sie eine Stunde später nach Hause kamen, waren die Böden gefegt und gewischt, die Schränke aufgeräumt, der Kühlschrank sauber und neu bestückt, die Betten frisch bezogen, die Wäscheleine im Garten schwer von wogenden Laken, die im Wind flatterten.
    Juliet hatte dem nach vier Wochen ein Ende gesetzt und erklärt, es wäre an der Zeit, dass die Familie sich wieder um sich selbst kümmerte. Miranda hatte sich bitter beklagt: »Hätten wir denn nicht wenigstens warten können, bis sie noch einmal alles aufgeräumt haben?«
    Juliet hatte dem kein Gehör geschenkt. Sie ignorierte Miranda nach Kräften. Sie konnte nicht verstehen, wieso Miranda immer noch so kratzbürstig und anmaßend war. Juliet hatte das Gefühl, ihr wären sämtliche Kleider zu eng geworden, als schnürten sie ihr den Leib ein, besonders das Herz. Es war so schwierig, zu atmen, zu sprechen, zu lächeln, aufzustehen, weiterzumachen, wo sie doch nur weinen, heulen, irgendjemanden dafür verantwortlich machen wollte. Sie wollte zu ihrer Mutter gehen und ihr sagen, wie elend sie sich fühlte, und genau das war nicht möglich.
    Eliza zog sich zurück. Juliet war aufgefallen, dass sie abnahm, aber im Grunde war es ihr egal, ob Eliza richtig aß oder nicht.
    Sadie schien sie alle zu beobachten, um ihr eigenes Verhalten entsprechend anzupassen. An manchen Tagen war sie schon beim Aufwachen in Tränen aufgelöst, an anderen war sie so wütend wie Miranda, fuhr alle an, zwickte Clementine so fest, dass sie aufschrie, und wischte nur flüchtig mit dem Handtuch über das Geschirr. Einmal ließ sie absichtlich zwei Gläser fallen und reagierte kaum, als sie auf dem Boden zersprangen.
    Clementine war vollkommen verstört. Sie hatte schon nicht richtig verstanden, warum ihre Mutter ins Krankenhaus gekommen war, wie hätte sie da begreifen können, was es bedeutete, als Leo sie sich auf die Knie setzte und ihr erzählte, dass Mum von ihnen gegangen, ihr Herz erschöpft, und sie jetzt im Himmel wäre. Clementine irrte durchs Haus, als ob sie ihre Mutter suchte, als ob ihre Mutter jeden Augenblick im Wohnzimmer oder in der Küche stehen würde. Als Clementine wieder in die Schule musste, hatte Juliet sie in der Küche entdeckt, mit ihrer Proviantdose in der Hand. Sie hatte nicht geweint, sondern einfach nur gewartet. Tessa hatte Clementine immer etwas zurechtgemacht. Juliet war es gelungen, in dem Moment nicht vor Clementine zu weinen, aber nachdem sie das Sandwich – mit besonders viel Butter und Marmelade – zubereitet und in die Plastikdose gelegt hatte, war sie nach draußen gegangen und in Tränen

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