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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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selbst danach gefragt habe.« Es war in dem Jahr gewesen, als sie einundzwanzig geworden war. Der Gesichtsausdruck ihres Vaters hatte sich schlagartig verändert.
    »Nein, Juliet«, hatte er gesagt. Keine Diskussion, keine Widerrede. Er war aus dem Zimmer gegangen. Die Tagebücher wurden niemals wieder erwähnt.
    »Aber sie ist doch unsere Mutter«, sagte Clementine.
    »Und sie war seine Frau.«
    »Ich muss sie lesen, Juliet.«
    »Kein Problem. Sie sind wahrscheinlich immer noch irgendwo in Dads Schlafzimmer. Geh und hol sie dir, ich lenke ihn dann solange ab.« Ihre Augen weiteten sich, als Clementine, mit der schlummernden Maggie an ihrer Schulter, aufstand. »Das war ein Scherz. Du kannst sie auf gar keinen Fall lesen. Mir ist das später auch aufgegangen, selbst wenn er sie mir gegeben hätte.«
    »Und warum nicht?«
    »Weil es Tagebücher sind. Also sind sie geheim.«
    »Aber was, wenn man sonst niemals herausfinden kann, wie jemand war?«
    »Clementine, ich weiß ja, was du meinst, aber wenn Mum gewollt hätte, dass wir sie lesen, dann hätte sie etwas zu Dad gesagt oder eine Notiz hinterlassen …«
    »Mum ahnte doch nicht, dass sie sterben würde, oder?« Maggie schmatzte, reckte sich unter der hellen Decke, dann herrschte wieder Stille. Clementine rieb ihr eine Weile sanft über den Rücken, bevor sie wieder sprach. »Ich werde Dad fragen. Nicht nur nach den Tagebüchern, auch nach ihren anderen Sachen.«
    »Dann bist du mutiger als ich.«
    »Kannst du Maggie einen Moment halten?«
    »Willst du ihn denn jetzt gleich fragen?«
    »Es ist wirklich wichtig.«
    »Vielleicht hast du recht. Vielleicht ist es an der Zeit. Aber wenn wir Dad nach Mums Sachen fragen, dann sollten wir alle fünf dabei sein.«
    »Er muss sie uns geben, Juliet. Sie war doch nicht nur seine Frau, sondern auch unsere Mutter. Das muss er doch verstehen, meinst du nicht?«
    Juliet konnte es nur hoffen.

5
    Ihre Mutter war wegen einer simplen Operation ins Krankenhaus gekommen. »Frauenprobleme«, hatte es geheißen.
    Juliet hatte mit Begeisterung den Haushalt übernommen. Es wäre ja nur für eine Woche. Und Tessa würde die Ruhe guttun, wie die Nachbarn alle meinten. Die arme Frau musste ja erschöpft sein, bei fünf Töchtern.
    Tessa war auf einer kleinen Station, mit nur drei anderen Frauen. Sie besuchten sie regelmäßig. Die dreizehnjährige Miranda war vor allem die Kommentare leid, die jeden Gruppenbesuch begleiteten.
    »Ah, die Trapp-Familie ist wieder da«, sagte der muntere Portier immer, wenn sie zu fünft durch den Flur kamen.
    Ihre Mutter sollte am fünfzehnten April entlassen werden. Alle sehnten ihre Heimkehr herbei, besonders Juliet. Das Abenteuer Haushalt war nach einer langen Woche nicht mehr wirklich spannend. Auch hatte der neue Tagesablauf – nach der Schule nach Hause eilen, schnell etwas essen und dann jeden Abend ins Krankenhaus – bald seinen Reiz verloren. Das Krankenhaus hatte schließlich darum gebeten, die Besuche auf jeweils nur zwei Kinder zu beschränken. Es war Mirandas Schuld, das wussten alle, aber sie hatten sie nicht verraten. Die Stationsschwester hatte Miranda im Lagerraum erwischt. Sie hatte sich an den Verbandskästen bedient und die achtjährige Clementine in eine kleine Mumie verwandelt. »Wir wollten unsere Mutter nur ein bisschen aufheitern«, hatte sie unverfroren entgegnet. Clementine – oder was von ihr sichtbar war – hatte reglos danebengestanden und mit dunklen Augen durch die weißen Verbände geschaut. »Lachen ist doch die beste Medizin, oder etwa nicht?«, hatte Miranda gesagt.
    Das war am dreizehnten April geschehen. Noch zwei Tage. Leo hatte einen Kalender neben die Aufgabenpläne gehängt und jeden einzelnen Tag durchgestrichen. Nach dem Abendessen hatte er seinen Tee ausgetrunken, war aufgestanden und hatte nach seinem Mantel gegriffen. »Zeit für den Besuch. Na kommt, Juliet und Clementine, ihr seid dran.«
    »Die Freiheit naht, halleluja«, sagte Tessa, als sie ins Zimmer kamen. Obwohl sie im Krankenhaus lag, war sie perfekt zurechtgemacht, das Haar gelockt, die Augen dunkel umrandet, die Lippen rot. »Ihr müsst die Besuche doch genauso leid sein wie ich mein Krankenbett.« Sie hatte das Zimmer für sich. Die anderen Betten waren alle leer. Tessa arbeitete an einem ihrer Sammelbücher.
    »Du bist mehr Elster als Elternteil«, sagte Juliet mit Blick auf die Schnipsel, Fotografien, den Leim und die Scheren auf dem Bett.
    »Ich habe es gerne, wenn es um mich herum leuchtet und

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