Die Toechter der Familie Faraday
gegangen. Nun schauen wir nur noch nach vorn. Außerdem, wer braucht schon eine Mutter? So ist es viel besser. Und billiger, ein Maul weniger, das gestopft -‹ Au!«
Juliet war genauso schockiert wie Miranda, als ihre Hand im Gesicht ihrer Schwester landete. »Halt den Mund, Miranda, verstanden? Halt nur ein einziges Mal den Mund.«
»Schlag mich niemals wieder.« Ihre Stimme war eisig.
»Sprich niemals wieder so über Mum.«
Mirandas Augen verengten sich zu Schlitzen. Sie hielt sich die Wange.
Sadie und Eliza sahen schockiert zwischen den beiden hin und her.
Juliet war verzweifelt. »Eine Stunde. Mehr verlange ich doch gar nicht. Eine Stunde, in der wir in der Öffentlichkeit so tun, als wären wir eine Familie.«
»Ich gehe nicht.« Jetzt mischte sich Eliza ein. »Denkt doch an das Getuschel. ›Diese armen Faraday-Mädchen.‹«
»Man wird uns doch nicht einmal bemerken. Na los. Es ist das erste Mal, dass Dad …« Sie brach ab. »Es ist wichtig für Dad.«
»Dad?« Miranda hatte sich wieder erholt. »Wer ist das? Ach, dieser Kerl, der da draußen im Schuppen haust?«
»Ich bin so weit.«
Clementine stand dort, in den gleichen Kleidern, die sie zur Beerdigung ihrer Mutter getragen hatte. Ihrem Sonntagsstaat. Blauer Wollmantel. Dunkelblaue Stiefel. Ein Rotkehlchen auf der Schulter, und sie hätte einer alten englischen Weihnachtskarte entstammen können.
»Wir gehen doch, oder?«
Juliet wagte es, ihren Schwestern zu trotzen. »Ja, Clementine, wir gehen.«
Es war eine Katastrophe. Als sie das Restaurant betraten, brachen alle Gespräche ab. Drei Frauen kamen während des Essens zu ihnen an den Tisch, um ihnen zu kondolieren. Leo sprach mit gekünstelt fröhlicher Stimme und befragte Clementine viel zu ausführlich nach ihren Hausaufgaben.
Das Essen war schrecklich, der Fisch verkocht, die Fritten matschig, das Steak verbrannt, die Sauce klumpig, das Gemüse aus der Dose.
»Will jemand Nachtisch? Schließlich ist heute ein besonderer Abend«, sagte Leo so betont guten Mutes, dass er wie ein Prediger aus den amerikanischen Südstaaten klang.
»So dick brauchst du nicht aufzutragen, Dad.« Das kam von Miranda.
»Ich weiß nicht, was du meinst.«
»Du brauchst nicht so zu tun, als wärst du unser besorgter Vater. Wir haben uns an ein Leben ohne dich gewöhnt. Es ist ja nett, dass du uns eine Stunde deiner Zeit gewährst, aber die Mühe brauchst du dir so schnell nicht wieder zu machen. Vielleicht wieder zu Mums Jahresgedächtnis. Oder zu Weihnachten, falls wir dann noch alle zusammen sind. Oder sollen wir das mit dem Weihnachtsfest im Juli versuchen? Ihr habt doch alle ihr Sammelbuch gesehen, oder?« Ihre Augen waren zu weit aufgerissen, ihr Lächeln zu gezwungen. Sie wirkte wie eine Schauspielerin kurz vor dem Zusammenbruch.
»Das reicht, Miranda.« Leo klang sehr ruhig.
»Ach, wir werden ja so viel Spaß haben. Ich kann es kaum erwarten. Du siehst gar nicht begeistert aus, Dad. Hab ich dir die Überraschung verdorben? Na komm. Wir schaffen das schon. Wir haben doch noch sechs Wochen.«
Sadie, Eliza, Juliet und Clementine verhielten sich ruhig. Das war eine Auseinandersetzung zwischen Miranda und ihrem Vater.
Sie fuhr im gleichen Plauderton fort. »Tut mir leid, Dad, dass du nach Mums Tod der Hinterbliebene bist. Und hier mit uns festsitzt. Ich würde ja auch lieber meine Zeit in einem Schuppen verbringen und mit niemandem sprechen. Wollen wir nicht fünf weitere Schuppen bauen, was meinst du? Einen für jede von uns? Dann brauchen wir mit niemandem mehr zu sprechen, wir schließen uns einfach ein. Clementine, du kannst mich natürlich jederzeit besuchen« – sie hatte den entsetzten Gesichtsausdruck ihrer kleinen Schwester bemerkt -, »aber ich glaube, so ist es künftig für uns alle am besten.«
»Ich weiß nicht, was ich machen soll.«
»O nein, natürlich nicht, du bist ja nur unser …« Mirandas Ton wurde scharf. Ein Blick von Sadie und eine Berührung von Eliza brachten sie zum Schweigen.
Sie hörten ihn kaum. »Das war nicht vorgesehen. Sie sollte doch nach Hause kommen. Du hast sie doch noch gesehen, Juliet. Du doch auch, Clementine. Am letzten … an dem Abend, an dem wir sie besucht haben. Sie war so glücklich, oder? Sie hat doch Pläne geschmiedet. Von ihrer Idee mit dem Weihnachtsfest gesprochen.«
Juliet nickte. Clementine schwieg, aber sie legte ihre Hand in Juliets.
»Wir haben nie besprochen, was ich tun sollte, falls … falls so etwas jemals passieren würde. Ob wir
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