Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
Vom Netzwerk:
Mutter und hat das so entschieden. Seit wann bist du denn Maggies Wächterin?«
    »Seit ich ihre Hauptbezugsperson bin.«
    »Ihre was?« Clementines Stimme klang frostig.
    »Die Person, die am meisten Zeit mit einem Kind verbringt, nennt man üblicherweise die Hauptbezugsperson«, sagte Sadie verdrießlich.
    »Vergiss es.« Clementine verlor selten die Beherrschung, aber nun war es so weit. »Sadie, du widmest dich ab sofort wieder ganz deinem Studium. Offensichtlich habe ich einen riesigen Fehler gemacht. Ich lege meine Projekte auf Eis und kümmere mich wieder selbst um Maggie.«
    »Clementine, das darfst du nicht«, sagte Miranda. »Nicht nach all den Jahren harter Arbeit. Du darfst dir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.«
    »Maggie geht vor.«
    »Das tut sie doch auch. Das war doch immer so. Aber du darfst beruflichen Erfolg haben und Maggies Mutter sein. Wir streiten hier doch nur über die Krumen, die von deinem Tisch fallen. Und, Sadie, du musst lernen zu teilen.«
    »Ich möchte aber nicht, dass Maggie aus ihrem gewohnten Umfeld herausgerissen wird«, sagte Sadie. »Ich denke dabei doch nur an sie, nicht an mich.«
    »Das ist zu dumm, denn ich will nicht viele Monate warten müssen, bis ich meine Nichte sehen kann.«
    »Dann zieh eben nicht nach Melbourne. Dann bleib doch auch hier.«
    »Oh, unsere Märtyrerin. Nein, da draußen wartet die Welt, und ich werde sie nicht warten lassen.«
    »Es geht immer nur um dich, oder? Ich spreche hier über das Wohl eines kleinen Mädchens.«
    »Nein, tust du nicht, Sadie. Du redest über meine Tochter.«
    Miranda schaute hin und her. »Hört mal, ich verstehe euch ja beide, so erstaunlich das klingt.« Miranda gefiel sich zu ihrer Überraschung in der Rolle der Friedensstifterin recht gut. »Aber es liegt nun wirklich an Clementine, zu entscheiden, was getan wird. Und wir müssen uns danach richten. In Ordnung, Sadie?«
    Sadie gab keine Antwort.

    Später, als sie allein war, ging Clementine die Unterhaltung mit Sadie in Gedanken noch einmal durch. Sie musste einen kühlen Kopf bewahren. Es stimmte schon, ohne Sadie wäre sie beruflich niemals so weit gekommen. Und alle Mütter mussten Opfer bringen. »Sie werden vom Moment der Geburt an zwischen der Liebe zu ihrem Baby und dem Wunsch nach einem eigenen Leben hin-und hergerissen sein«, hatte ein Buch gewarnt. »Was immer Sie entscheiden, in manchen Momenten werden Sie sich wünschen, Sie hätten eine andere Wahl getroffen.«
    Clementine liebte Maggie heiß und innig. Die Zeit mit ihr war kostbar. Sie konnte sich ein Leben ohne Maggie nicht mehr vorstellen. Aber – und auf dieses Aber folgten all ihre Schuldgefühle – sie liebte auch ihre Forschung. Sie liebte es, als Erste Fakten über eine bestimmte Vogelspezies herauszufinden. Das Unvorhersehbare der Forschung, das so wunderschön Geordnete ihrer Arbeit, die sorgfältige Vorbereitung, die strikten Zeitpläne, die minutiös gesammelten Daten. Bei jedem Gedanken an Maggie überkam sie ein Rausch von Liebe, aber darunter mischten sich auch, wenn sie ganz ehrlich war, Gefühle der Verwirrung, Unsicherheit und, ja, Erschöpfung. Was Sadie ihr geschenkt hatte – indem sie ihr so viel von der alltäglichen Fürsorge für Maggie abgenommen hatte und Clementine dadurch in den Genuss von Gutenachtgeschichten und Schmusestunden kam -, waren Zeit und Freiraum für ihre Arbeit.
    Sie war Sadie dankbar. Aber da war noch etwas anderes im Spiel. Rivalität, gepaart mit einem schlechten Gewissen, weil sie ordentlich studieren konnte, während Sadie nur stundenweise zur Universität ging. Zu alldem kam auch noch ein unterschwelliger Groll. In letzter Zeit benahm sich Sadie ein wenig zu häufig so, als wäre Maggie ihr Eigentum. Weit mehr als ihre Nichte. Fast schon ihre Ersatztochter.
    Clementine kam Maggies Geburtstag in den Sinn.
    Sie hätte sich über das Sammelbuch freuen und gerührt sein müssen, dass sich Sadie so viel Mühe gegeben hatte, aber dem war nicht so. Die Wucht ihrer Gefühle hatte sie erschüttert. Blanke Wut hatte sie gepackt. Wie konnte Sadie es wagen , sich als Maggies Hüterin und Archivarin aufzuspielen?
    Es war ihr gelungen, sich zu bedanken. Sie hatte von sich abgelenkt und zu Maggie gesagt, was für ein Glück sie mit einer Tante wie Sadie hatte. Dann hatte sie sich entschuldigt und war in ihr Schlafzimmer gegangen, um sich zu beruhigen, den Verstand einzuschalten. Es war bloß ein Sammelbuch. Aber eine Stimme in ihrem Innern hatte gesagt, sicher,

Weitere Kostenlose Bücher